Detailseite
Dimensionen der Selbstkonstituierung und der Ungleichheit in den Narrativen der Mittelschicht Brasiliens und Argentiniens (1990-2020)
Antragsteller
Dr. Thomas Kestler
Fachliche Zuordnung
Politikwissenschaft
Förderung
Förderung seit 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 516321854
Im Zuge der sogenannten narrativen Wende rückte das originär philologische Konzept des Narrativs aufgrund seines vielfältigen Erkenntnispotenzials auch ins Blickfeld der Politikwissenschaft. In dem geplanten Vorhaben soll dieses Potenzial fruchtbar gemacht werden, indem die Form und Entwicklung von Mittelschichtnarrativen in einem konkreten regionalen und his¬torischen Kontext – in Brasilien und Argentinien in den Jahrzehnten seit der Redemokratisierung – untersucht werden. Der Fokus liegt dabei auf den Narrativen der Mittelschicht als eines latenten, sich erst im Prozess der Narration konstituierenden sozialen Handlungszusammenhangs sowie auf den darin angelegten Dimensionen von Ungleichheit. Das Projekt basiert auf der Prämisse, dass soziale Strukturen als kontingente Konstrukte aus einem Prozess der diskursiven Selbstkonstituierung hervorgehen. Dies gilt insbesondere für soziale Klassen, die jenseits struktureller Merkmale vor allem auf der imaginären und diskursiven Ebene existieren, die jedoch (materielle) soziale Realitäten hervorbringen und so auch auf die in den beiden untersuchten Ländern vorherrschenden sozialen Ungleichheiten rückwirken. Konzeptionell bewegt sich das Projekt im Rahmen des sogenannten Narrative Policy Framework (NPF), das einen systematischen und vergleichenden Zugang zur narrativen Dimension sozialer Phänomene ermöglicht. Ausgangspunkt des Vorhabens ist die Frage nach den narrativen Elementen, die in ihrer Gesamtheit auf eine Mittelschicht als eine vorgestellte soziale Kategorie verweisen. Daran schließen weitere Fragen nach den Zuschreibungen und Relationen an, durch die diese Kategorie bestimmt ist. Nicht zuletzt verbinden sich damit auch Implikationen für die demokratische Entwicklung, da die Selbstwahrnehmung der Mittelschicht auf deren Haltung und Handlungsorientierung innerhalb des demokratischen Prozesses rückwirkt.Das übergreifende Forschungsinteresse liegt auf der Frage, ob in Brasilien und Argentinien über einzelne Mittelschichtmilieus hinweg ein im Zeitverlauf beständiger Mittelschicht-Mythos (bzw. eine gemeinsame Metanarration) existiert. Die Untersuchung orientiert sich an Leitfragen zur Struktur und Entwicklung narrativer Muster sowie an einer Reihe von Grundmotiven, anhand derer Entwicklungslinien und erzählerische Elemente (Storylines, Plots) im Zeitraum von 1990 bis 2020 identifiziert und in ihrer Bedeutung für die Konstituierung und Reproduktion ökonomischer und sozialer Ungleichheiten bewertet werden sollen. Als Grundlage dient eine repräsentative Auswahl von Publikumszeitschriften, die aufgrund ihrer Exklusivität und ihrer Zielgruppe einen vorrangigen medialen Ort des Mittelschichtdiskurses darstellen. Das Ergebnis soll eine Kartographie der Mittelschichtnarrative in den beiden untersuchten Ländern sein und in Form einer englischsprachigen Monographie publiziert werden. Angestrebt wird ferner die Herausgabe eines Sammelbands mit Beiträgen zu aktuellen Debatten und Entwicklungen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen