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Natur neu gestalten? Eine Wissens- und Umweltgeschichte angewandter Naturforschung um 1800

Fachliche Zuordnung Frühneuzeitliche Geschichte
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 517564813
 
Historische Akteure wie der Göttinger Naturhistoriker und Kameralist Johann Beckmann (1737–1811) verkörpern das Ideal des naturforschenden Universalisten, der das Reich der Natur untersuchte, klassifizierte und darstellte. Zugleich etablierten sie eine neue Form anwendungsbezogenen Wissens in Schlüsselbereichen der zeitgenössischen Ökonomie: in Wald- und Landwirtschaft, Berg- und Wasserbau und den verarbeitenden Gewerben. Für letztere prägte Beckmann den Begriff „Technologie“. Er bezeichnete damit eine „systematische[] Ordnung“ handwerklicher Kenntnisse und der Verarbeitung natürlicher Ressourcen („Naturalien“). Beckmanns Tätigkeit – analysiert im Umfeld der Göttinger Reformuniversität, als Teil europäischer Gelehrtennetzwerke und in globalen Transferprozessen – darf als exemplarisch für dieses um 1800 neue Wissensfeld gelten. Die Akteure dieses Feldes etablierten kurz vor und am Beginn der Industrialisierung sowie des fossilen Energiezeitalters eine neue Sicht auf die Mensch-Natur-Beziehungen. Sie wollten Natur neu gestalten, um eine umfassendere, effizientere und nachhaltigere Ressourcenausbeutung sowie wirtschaftliches Wachstum zu erreichen. Ziel war die Ausbeutung und Beherrschung der Natur, aber auch die Ordnung und Kontrolle menschlicher Praktiken in der Interaktion mit dieser. So operierte angewandte Naturgeschichte an den Schnittstellen der Mensch-Natur-Beziehungen und stellte Technologien zur Aufnahme, Repräsentation und materiellen Umgestaltung von Natur (environing technologies) bereit. Das Projekt "Natur neu gestalten" untersucht ausgehend von Beckmann, welche Praktiken und Apparate angewandte Naturgeschichte entwickelte und einsetzte, welche kommunikativen Netzwerke zwischen Akteuren und Akteurinnen sie errichtete und welche transregionalen Zirkulationen von Ideen, Gegenständen, Pflanzen und Tieren sie in Bewegung setzte. Der Göttingen Fall wird in Beziehung zu vergleichbaren Wissensorten im mitteleuropäischen Raum untersucht. Ziel ist eine Neuinterpretation dieser Schlüsselperiode der europäischen Umwelt- und Wissensgeschichte in ihren globalen Bezügen. Das Vorhaben ist als Mehrebenen-Analyse konzipiert. Die Göttinger wird angewandte Naturgeschichte als Co-Produktion aus lokalen, regionalen und auch globalen Prozessen erfasst. Transfers und Akklimatisierungsversuche von Nutzpflanzen aus außereuropäischen Regionen sollen im Projekt ebenso untersucht werden, wie die Entstehung und Zirkulation von Wissenspraktiken, Begriffen und Konzepten im inner- wie außereuropäischen Raum. Beckmanns Modelle, seine Kartensammlung, der Nachlass seiner Korrespondenz sowie die umfassende Sammlung seiner Werke und herausgegebenen Periodika machen Göttingen zu einen hervorragenden Ausgangspunkte für das Vorhaben, das eng mit den Göttinger Universitätssammlungen kooperiert. Lokale und überregionale Archive erlauben die Rekonstruktion des Ökonomischen Gartens und anderer „Wissensapparate“ sowie der politischen Implikationen der angewandten Naturgeschichte.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Mitverantwortlich Dr. Christian Vogel
 
 

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