Detailseite
Projekt Druckansicht

Die Große Grube von Estenfeld, Kr. Würzburg – Abfallentsorgung oder strukturierte Deponierung? Untersuchungen zur Taphonomie, Chronologie und Funktion einer Befundgattung des Mittelneolithikums.

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 518888884
 
Im Zentrum des Projekts steht die umfangreiche und sehr gut dokumentierte Große Grube aus Estenfeld, Kr. WÜ stehen. Die über 30 m lange und bis 3 m tiefe Grube enthielt eine große Menge teils exzeptionell gut erhaltener Keramik, dazu Rotlehm, Tierknochen und offenbar intentionell zerschlagene Reib-/Mahlsteine. Sie lässt sich wenigen vergleichbaren mittelneolithischen Befunden in Süddeutschland an die Seite stellen und ist vermutlich abzugrenzen von den sehr viel häufiger in Siedlungen angetroffenen Grubenkomplexen. Bereits bei der mittelneolithischen Kreisgrabenanlage von Hopferstadt konnten komplexe rituelle Praktiken bei der intentionellen Verfüllung der Kreisgräben vermutet werden. Dies warf die Frage auf, ob es sich bei den im süddeutschen Mittelneolithikum in Siedlungen wiederholt angetroffenen sogenannten Großen Gruben wirklich stets um Lehmentnahmegruben handelt, die sekundär zur Entsorgung von Abfall genutzt wurden. Die Arbeitshypothese besagt, dass es sich in Estenfeld nicht um gewöhnlichen Siedlungsabfall, sondern eine „strukturierte Deponierung“ handelt. Damit leistet das Projekt zugleich einen Beitrag zur in der deutschsprachigen Forschung bislang wenig rezipierten Diskussion um „structured deposition“. Durch eine detaillierte taphonomische Analyse (Fragmentierungsgrad, abgestufte Klassifikation von Gefäßeinheiten, Suche nach Anpassungen und Auswertung deren räumlicher Verteilung) soll der Verfüllungsprozess rekonstruiert und mit mehreren regional vorliegenden Grubenkomplexen verglichen werden. Da das Fundmaterial aus Estenfeld nur trocken gereinigt wurde, besteht die seltene Möglichkeit, an ausgewählten keramischen Fragmenten Analysen von lipidischen Biomarkern sowohl aus der Keramikmatrix als auch aus anhaftenden Erdresten durchzuführen. Diese Analysen können Aufschlüsse über die Funktion der Gefäße, möglicherweise auch ihre Füllung unmittelbar vor der Deponierung geben. Die Arbeitsflächen der Mahl-/Reibsteine sollen auf Phytolithen untersucht werden. Die überwältigende Mehrheit der verzierten Keramik ist der Stilstufe Planig-Friedberg zuzuordnen. Die offenbar geringe zeitliche Tiefe des Fundspektrums ist von unmittelbarer Relevanz für die taphonomische Rekonstruktion der Verfüllungsprozesse der Großen Gruben. 14C-Daten an stratifizierten Proben kurzlebigen Materials (Tierknochen, pflanzliche Makroreste) sollen in ein Bayes‘sches Modell eingebracht werden, um die Synchronität und/oder zeitliche Erstreckung der Verfüllprozesse möglichst genau zu datieren. Das Projekt hat zum Ziel, erstmalig die seit 120 Jahren bekannte, aber kaum systematisch erforschte Befundkategorie der mittelneolithischen „Großen Gruben“ mit einem interdisziplinären und taphonomisch orientierten Ansatz an einem rezent gegrabenen Beispiel umfassend zu untersuchen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung