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Wurzeln der Toleranz im frühneuzeitlichen europäischen Schrifttum

Fachliche Zuordnung Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 493131063
 
Dieses Projekt untersucht die Entstehung, Verbreitung und Wirkung von Toleranzvorstellungen in der Literatur (sowohl im theologischen Schrifttum als auch in poetischen Texten) der Frühen Neuzeit. Dabei nutzen wir das „disapproval-respect model“, das die Arbeit unserer gesamten Forschungsgruppe leitet, als Linse für theoretisch geschärfte rückwärts gerichtete Forschung. So möchten wir herausfinden, inwiefern die verschiedenen Komponenten des Modells im 16. und 17. Jahrhundert – im „Zeitalter des Konfessionalismus“ (wie von E. Troeltsch definiert) von der Reformation bis zur Frühaufklärung – vorgeformt und erprobt wurden. Wenn die Ablehnung religiöser Überzeugungen Anderer die ‚letzten Dinge‘ oder die Dogmatik betrifft, die ja regelmäßig „mit absoluten Wahrheitsansprüchen aufgeladen“ sind und damit als von höchstem Wert zu betrachten sind, wie kann dann ein Prinzip, das per definitionem von geringerem Wert ist, dennoch die Bekämpfung der für ihre Meinungen oder Praktiken abgelehnten Personen verhindern? Gibt es im theologischen Schrifttum des 16. Jahrhunderts bereits so etwas wie die Vorstellung einer dem Dissens „übergeordneten Ingroup“, und wie (wenn überhaupt) verhindert diese Vorstellung, dass Missbilligung zur Verfolgung der abgelehnten „Outgroup“ führt? Ausgehend von Sebastian Castellios Anthologie "De haereticis" von 1554 und den darin zitierten Texten wird das Projekt in einem ersten ‚Work Package‘ Toleranz-Vorstellungen im frühneuzeitlichen theologischen Schrifttum des 16. Jahrhunderts (vor allem über die Frage, wie mit ‚Ketzern‘ umzugehen sei) mithilfe des „disapproval-respect models“ rekonstruieren. In einem zweiten ‚Work Package‘ konzentrieren wir uns in zwei exemplarischen Fallstudien auf die Früchte, die diese frühen theologischen Debatten über Toleranz in poetischen Texten vom späten 16. bis späten 17. Jahrhundert tragen: eine Fallstudie zum englischen Drama um 1600 (Mercator Fellow), und eine über deutsche ‚Geistliche Gedichte‘ von protestantischen Schriftstellerinnen des 17. Jahrhunderts (Doktorand/in). Methodisch ist das Projekt von historisierenden literaturwissenschaftlichen Ansätzen geprägt, die literarische Texte als eingebettet in breitere politische, soziale und konfessionelle Kulturen verstehen. Diese gilt es zu berücksichtigen, will man die potenziellen Bedeutungen literarischer Texte historisch angemessen erfassen und sie nicht nur als semantische Strukturen, sondern auch als "Textereignisse" verstehen, die auf zeitgenössische politische, soziale und konfessionelle Debatten und Praktiken reagieren. Das Projekt leistet einen Beitrag zur historischen Dimension der Forschungsgruppe "The Difficulty and Possibility of Tolerance: The Multifaceted Challenges of the Concept and Practice of Tolerance", indem es literaturwissenschaftliche Theorien und Methoden in die Analyse fiktionaler und nicht-fiktionaler Texte zur Frage der Toleranz aus der Frühen Neuzeit einbringt.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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