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Kampf an vielen Fronten. Grenzüberschreitende Seuchenpolitik im Spannungsfeld von militärischem Primat und ziviler Notwendigkeit während des Ersten Koalitionskrieges (1792–1797)
Antragstellerin
Professorin Dr. Maren Lorenz
Fachliche Zuordnung
Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung
Förderung seit 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 520265667
Epidemien entfalten auch im 21. Jahrhundert, in dem Infektionswege und Krankheitserreger weitgehend bekannt, sind große gesellschaftliche Wirkungsmacht. Sie können schon in Friedenszeiten soziale Interaktionen und Beziehungen, den Waren- und Informationsverkehr sowie Verwaltungsstrukturen massiv behindern und sogar völlig lahmlegen. Effektive Seuchenprävention und -bekämpfung setzen Regierungen unter massiven Legitimations- und Handlungsdruck – und dies grenzübergreifend. Auch gegenwärtig zeigen ökonomische und soziale Verwerfungen, wie stark politische Regierungslegitimation vom unmittelbar physischen Schutz der eigenen Bevölkerung abhängt, wozu neben medizinischem (Hilfs-) Personal auch handlungsfähige Ordnungskräfte gehören. Das Projekt verbindet über die Untersuchung der Seuchenbekämpfung durch die verschiedenen Kriegsparteien, zivilen Obrigkeiten und Teile der regionalen Bevölkerungen während des Ersten Koalitionskrieges (1792–1797) die Makroebene von Herrschaftsstabilisierung und -legitimation durch militärisches wie ziviles Regierungs- und Verwaltungshandeln mit den (Re-)Aktionen der Zivilbevölkerung eines mehrere Territorialgrenzen überschreitenden Untersuchungsraums auf der Mikroebene – hier entlang des Nieder-, Mittel- und Oberrheins. Es werden die sowohl auf militärische Funktionalität und Kampffähigkeit der Truppen als auch auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Zivilbevölkerungen bezogenen Aktivitäten und Maßnahmen der Beteiligten (Akteure) aus sozialhistorischer und damit auch verfahrens- und kommunikationsgeschichtlicher Perspektive rekonstruiert. Gefragt wird erstens nach der gesundheitspolitischen Relevanz der Handlungen, zweitens nach Charakter und Signifikanz von Handlungsspielräumen (Agency) und drittens nach konkurrierenden Interessen. An dieser Schnittstelle von oft emotionalisierten und dabei doch strategischen Konflikten um das gemeinsame Ziel der Eindämmung vermuteter Infektionsketten lassen sich in Bezug auf die Seuchenbekämpfung sowohl die Grenzen dichotomer Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit wie auch von Zivil- und Militärgesellschaft als auch von Freund und Feind untersuchen. Die Studie will rekonstruieren, wie Seuchenbekämpfung im Krieg zwischen absolutistischem und revolutionärem Regierungsystem und zwischen militärischer und ziviler Sphäre konkret ablief und wie sich dies auf die Legitimation als ‚gute Herrschaft‘ auswirkte. Dadurch wird die verbreitete These der fatalistischen Hinnahme massenhafter menschlicher, v.a. auch ziviler Verluste seitens der zentralen Entscheidungsträger kritisch hinterfragt. Hierzu wird die historische Krankheit des ‚Lazarettfiebers‘ zum Ausgangspunkt erklärt und im Sinne der Akteur-Netzwerk-Theorie als eigenständig handelnder Akteur betrachtet, dessen Auftreten Rektionen von und Konfliktpotentiale mit weiteren Akteuren erst evoziert. Der kaum gehemmte Zug der Seuche kann als ‚Tracer‘ für die Interdependenz von Krieg, Krankheit und gefährdeter Staatsautorität genutzt werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen