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Ambiguität als Erzählstrategie in den Isländersagas

Antragsteller Dr. Andreas Schmidt
Fachliche Zuordnung Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 522486190
 
Ziel ist, das Konzept der Ambiguität als narratologische Kategorie systematisch im Corpus der Isländersagas für Analysen und Kontextuntersuchung zu erschließen. An den aktuellen literaturwissenschaftlichen und mediävistischen Diskussionen zu diesem Konzept hat die Altnordistik bisher kaum Teil, obwohl das Corpus der Isländersagas und seine Erforschung hier reiche Perspektiven anbieten. Mein Projekt argumentiert, dass in diesen Erzählungen strategisch, corpusweit und intentional Ambiguität im Sinne von wechselseitig ausschließlichen Deutungsoptionen erzeugt wird, die in einem interpretativen Akt bezüglich eines Gesamttextes zwangsweise entschieden werden müssen. Solche Ambiguisierung betrifft insbesondere sozial konstruierte Normen und deren individuelle Umsetzung sowie die übermenschlich-transzendente Bedingung der dargestellten, fiktiven Welt. Begründet ist sie darin, dass die Texte nach dialogischen Verfahren im Sinne Michail Bachtins erzählt und inszeniert und aufgrund der gattungscharakteristischen handschriftlichen Varianz und Intertextualität auch überliefert werden. Den sozialen Fokus der diegetischen Ebene spiegeln so 'soziale' Erzählprinzipien. Dies überträgt ein dialogisches Verhältnis auch auf den Rezeptionsvorgang, d.h. den Akt der Textdeutung durch sein Publikum. Die Sinnhaftigkeit solcher Ambiguitätserzeugung kann anthropologisch durch die soziale Relevanz und Funktionalität uneindeutiger Narrative begründet werden, wie sie Albrecht Koschorke theoretisch entwickelt hat. Die Literaturwissenschaft zeigt ambiges Erzählen dabei wiederholt als Leistungspotenzial literarischer Texte auf. Bewusstsein für den Nutzen ambig-fiktiven Erzählens im Mittelalter wird zudem durch mentalitätsgeschichtliche Untersuchungen nahelegt. Das Projekt wird im Rahmen einer Monographie diese theoretischen und historischen Grundlagen aufarbeiten und anschließend die aus dem Gesamtcorpus abgeleiteten narrativen Mechanismen der Ambiguitätserzeugung in ausgewählten Fallbeispielen näher analysieren. Leitfrage ist, durch welche Erzähl- und Überlieferungsmechanismen Ambiguität erzeugt wird, und bei welchen Themen sie sich in welcher Hinsicht bei der Textdeutung niederschlägt. Dazu werden bisherige Forschungsperspektiven zusammengeführt und erweitert und ein erneuerter Analyse-Ansatz auf diese Texte erarbeitet, um damit zum interdisziplinären Theoriediskurs beitragen zu können. Abschließend werden die gewonnen Perspektiven in den kultur- und soziohistorischen Hintergrund der Entstehungs- und Überlieferungszeit der Texte rückgebunden, indem weiterführende Thesen vor diesem breiten soziokulturellen Hintergrund perspektivisch formuliert werden.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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