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Der Staat als Instrument der Nation? Nationalismus, Vermächtnisse der Transition und die Demontage der Demokratie in Europa
Antragstellerin
Professorin Dr. Christina Isabel Zuber
Fachliche Zuordnung
Politikwissenschaft
Förderung
Förderung seit 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 523633539
In der jüngsten Vergangenheit haben europäische Demokratien begonnen sich in Richtung Autoritarismus zu entwickeln. Trotz einer wachsenden Zahl von Beiträgen zu diesem Phänomen ist eine wichtige Frage allerdings noch ungeklärt: Wie gelingt es illiberalen Eliten Unterstützung bei Wahlen aufrecht zu erhalten, während sie gleichzeitig demokratische Institutionen abbauen? Zentrale Hypothese des Projekts ist, dass illiberale Eliten hierzu auf nationalistische Botschaften zurückgreifen. Solche Botschaften haben große Überzeugungskraft, da sie sowohl die Interessen der Wähler*innen als auch ihre sozialen Identitäten ansprechen. Vielmehr noch kann Nationalismus aber gerade im Kontext demokratischer Demontage helfen, illiberale Reformen öffentlich zu rechtfertigen, und zwar als notwendige Veränderungen um die souveräne Selbstbestimmung der Nation als Kollektiv zu befördern; ein Ziel, das sich besser in einer majoritären als in einer liberalen Demokratie verwirklichen lasse. Der Erfolg dieser Strategie hängt jedoch von vordemokratischen Vermächtnissen ab: Dort, wo Demokratisierung einst nationalistisch-faschistische Diktaturen ablöste, kann größerer Skeptizismus gegenüber nationalistischer Ansprache erwartet werden. Wo hingegen Demokratien anti-nationalistische, kommunistische Diktaturen ersetzten sollte Nationalismus heute auch prodemokratische Wähler*innen überzeugen können. Ceteris paribus sollte es illiberalen Eliten in post-kommunistischen Gesellschaft leichter fallen, mit Hilfe nationalistischer Botschaften Unterstützung zu erzielen, als in post-faschistischen Gesellschaften. Um diese Erwartungen zu prüfen, werden mehrere Methoden kombiniert. Regressionsanalysen testen den Zusammenhang zwischen Wahlprogrammatik und Erfolg illiberaler Parteien vor und nach Episoden demokratischer Demontage für europäische post-faschistische und post-kommunistische Demokratien von 1992 bis 2019. Daran schließt sich eine Untersuchung ähnlicher Fälle mit unterschiedlichen Transitionsvermächtnissen: Spanien und Polen (faschistisch vs. kommunistisch), Ost- und Westdeutschland (faschistisch und kommunistisch vs. faschistisch), Kroatien und Ostdeutschland (faschistisch und kommunistisch). Fokusgruppen und Inhaltsanalysen erinnerungspolitischer Reden helfen zu verstehen, was Bürger*innen und politische Eliten unter Demokratie und Nation verstehen, und wie sie dies mit Erinnerung an die Transition verbinden. Umfrage-Experimente ermöglichen es, zu testen, ob nationalistische Botschaften die Unterstützung für illiberale Reformen erhöhen, und ob dieser Effekt vom Transitionskontext abhängt. Das Projekt hofft zu einem Austausch über europäische Werte beizutragen, der von der gemeinsamen Erfahrung der Überwindung des Totalitarismus getragen ist, dabei jedoch sensibel für die unterschiedlichen Vermächtnisse und Erinnerungskulturen bleibt, die sich aus post-faschistischen und post-kommunistischen Transitionen heraus entwickelt haben.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Frankreich, Kroatien, Polen, Spanien
Kooperationspartner
Dr. Michal Kotnarowski; Professor Jordi Munoz, Ph.D.; Professor Dr. Viseslav Raos; Professor Jan Rovny, Ph.D.