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Digitale Transformation der juristischen Professionen? Praktiken und Regulierungspfade der Digitalisierung im Rechtssystem
Antragstellerinnen
Professorin Dr. Birgit Apitzsch; Professorin Dr. Britta Rehder
Fachliche Zuordnung
Empirische Sozialforschung
Förderung
Förderung seit 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 523973329
Im Rechtssystem ist das Phänomen der Digitalisierung eng mit dem Begriff der „Legal Technologies“ verknüpft. Er bezeichnet die Digitalisierung der Rechtsbearbeitung durch Software, Online-Dienste und Rechtsgeneratoren, die juristische Arbeitsprozesse unterstützten oder zumindest teilweise sogar ersetzen. Ein prominenter Anwendungsfall sind digitale Rechtsdienstleister, die online um Mandant:innen werben und auf digitalem Weg Rechtsdurchsetzung anbieten. Das vorgeschlagene Projekt möchte die Legal Technologies unter der Perspektive betrachten, wie sie 1) juristische Arbeit und Arbeitsmärkte verändern, 2) wie der Pfad der Digitalisierung im Rechtssystem durch Regulierung geprägt wird, und 3) welche Rolle dabei politische und intra-professionelle Konflikte spielen. Empirisch nimmt das Projekt deutsche Legal-Tech-Start-Ups in den Blick sowie die Dynamik, die sie in den verschiedenen Bereichen des Rechtssystems (v.a. Gerichte, Anwaltskanzleien) entfalten. Durch neue technische Möglichkeiten, z.B. Texterkennungsprogramme oder die Bearbeitung großer Datenmengen, sind digitale Kanzleien nicht nur dazu in der Lage, ihre Dienstleistung online anzubieten, sondern sie können auch mehrere Tausend Fälle gleichzeitig bearbeiten. Dadurch kristallisieren sich auch Amazon-ähnliche Geschäftsmodelle heraus, bei denen wenige Plattformen starke und asymmetrische Geschäftsbeziehungen zu vielen Hundert Anwält:innen unterhalten. Dies wirkt sich auch auf Gerichte aus. Das Projekt möchte untersuchen, wie sich die juristische Arbeit und die juristischen Arbeitsmärkte wandeln. Zudem wird danach gefragt, wie die Transformation durch politische Konflikte und Regulierung geprägt wird. Mit diesem Fokus integriert das Projekt arbeits- und professionssoziologische Perspektiven mit politikwissenschaftlichen Fragestellungen. Theoretisch nimmt das Projektdesign Bezug auf Neil Fligsteins ‚Architecture of Markets‘. Wir verstehen den Transformationsprozess als einen Konflikt zwischen Herausforderern und Etablierten. Die Legal-Tech-Start-Ups stellen die „challengers“ dar, die Arbeit auf neue Weise organisieren und dabei gleichzeitig auch ein anderes Verständnis davon haben, wie das Rechtssystem funktionieren sollte als die „traditionellen“ Vertreter:innen der juristischen Berufe („incumbents“). Hier lassen sich erhebliche Konflikte beobachten. Empirisch arbeitet das Projekt mit einer Kombination verschiedener qualitativer und quantitativer Methoden; es nimmt dabei neue Entwicklungsdynamiken (der vergangenen 20 Jahre) in den Blick und bezieht diese auf historisch gewachsene professionelle Selbstverständnisse, Formen der Arbeitsteilung und Regulierung. Unsere grundlegende These lautet, dass sich diese intra-professionellen Konflikten auf vielen Ebenen (Arbeit, Organisation, Politik) entfalten, und dass sie den Digitalisierungspfad im Rechtssystem erheblich prägen.
DFG-Verfahren
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