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Kontraktualistische Theorien von Aegidius Romanus bis John Locke (ca. 1280 bis 1690)

Fachliche Zuordnung Geschichte der Philosophie
Praktische Philosophie
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 524037622
 
Was ist der Grund für unsere Verpflichtung gegenüber unserem Gemeinwesen, gegenüber unserem Staat? Wie werden unser Staat und seine Regierung legitimiert? Das Vorhaben soll zunächst zeigen, dass es genuin kontraktualistische Antworten der Philosophie auf diese Fragen im ganzen Zeitraum von ca. 1280 bis 1690 gegeben hat. Als "kontraktualistisch" wird dabei eine Theorie bezeichnet, die von einem defizienten Ausgangszustand, einem Konsens, ihn zu verlassen, und einem suffizienten Zielzustand ausgeht. Die Form dieses kontraktualistischen Arguments wird im behandelten Zeitraum variiert, bleibt aber verhältnismäßig konstant. Erste Arbeitshypothese ist, dass erst die Einbettung in soziale, anthropologische und normative Kontexte dem bloßen Konsens des Arguments die notwendige deontische Kraft verleiht. Diese diversen funktionalen Einbettungen sollen im Projekt untersucht werden. Eine weitere Arbeitshypothese ist, dass bei Hobbes und Locke dann eben diese Einbettungen, die auf deren Empirismus zurückzuführen sind, dem Kontraktualismus größere Durchschlagskraft verschaffen: durch eine Individualisierung und Entsubstantialisierung des Guten, durch eine Unbabgeschlossenheit der Glückskonzeption und eine pleonektische Theorie des Gelderwerbs wird das Eingehen eines Gesellschaftsvertrags dringlicher als bei Theorien, die den Menschen prinzipiell als ein animal civile/sociale ansehen. Aber auch diese Veränderung der Einbettung des Kontraktualismus werden im 13., 14. und 15. Jahrhundert grundgelegt, z.B. in Thomas von Aquins aristotelischem Proto-Empirismus, in Ockhams besonderer politischer Wertschätzung des Neuen und Innovativen, in Olivis Entsubstantialisierung des Normativen und dessen relationaler Sozialontologie sowie in Olivis Wertschätzung der Akkumulation von Kapital. Das beantragte Projekt soll dazu dienen, die Diskontinuitäten und Kontinuitäten in den kontraktualistischen Theoriebildungen nachzuvollziehen, und so aufzeigen, wie systematisch tragfähig spätmittelalterliche und frühneuzeitliche vertragstheoretische Modelle sind, auch ob frühere Formen des Kontraktualismus (wie der ockhamsche oder marsilianische) denen des 17. Jahrhunderts in manchen Punkten überlegen sind. Zudem soll die Arbeit verstehen helfen, welche der Änderungen und Innovationen der Entwicklung zwischen ca. 1280 bis 1690 auch unsere heutige Zeit noch prägen. Es wäre zu wünschen, dass gerade auch die Auseinandersetzung mit früheren Theorien z.B. des Suárez oder des Marsilius, die weniger individualistischer oder atomistischer Natur sind und sich nicht auf ein unbegrenztes Wachstum und eine pleonektische Glücksvorstellung festlegen, dazu verhilft, heutige Einseitigkeiten zu überwinden – gerade angesichts der aktuellen multiplen gesellschaftlichen Krisen, die u.a. ihren Ursprung in den Weichenstellungen des 17. Jahrhunderts haben.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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