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Sondergerichtsbarkeit zwischen Räterepublik und Hitler-Prozess. Bayerische Volksgerichte (1919-1924)

Fachliche Zuordnung Grundlagen des Rechts und der Rechtswissenschaft
Strafrecht
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 525789955
 
Strafrechtspflege ist in politischen Umbruchzeiten Gradmesser für Rechtsstaatlichkeit. "Undemokratisch", "auf dem rechten Auge blind", "politisch", so wird die Justizpraxis der Weimarer Zeit gemeinhin charakterisiert. Quellenbasierte rechtshistorische Arbeiten, die diese Wertungen belegen oder widerlegen könnten, liegen jedoch nicht vor. Ziel des Projekts ist deshalb die Überprüfung dieser Wertungen am Beispiel der bayerischen Stand- und Volksgerichte. Vor diesen Gerichten fand von 1918 bis 1924 der überwiegende Teil der Strafverfahren in Bayern statt, auch die Verfahren gegen Räterepublikaner (1919) oder die sog. Hitler-Putschisten (1923/24). Die gerichtliche Praxis soll auf Grundlage einer quantitativen wie qualitativen Analyse der überlieferten stand- und volksgerichtlichen Verfahrensakten untersucht werden. Dies schließt jene Teile der Bestände ein, die Rückschlüsse darauf zulassen, welche Verfahren aufgrund von Amnestien oder Dienstanweisungen nicht durchgeführt wurden. Dadurch, dass das hier vorgeschlagene Projekt verfahrensgeschichtliche mit dogmen- und sozialgeschichtlichen Erkenntnisinteressen verbindet, kann die Bewertung der Justizpraxis der ersten Jahre der Weimarer Zeit auf eine breite wissenschaftliche Grundlage gestellt werden. So wird der Begriff der "politischen Justiz" präzisiert, indem die rechtlichen Schwachstellen in der Ausgestaltung der Rechtspflege aufgezeigt und umfassend Auskunft über die sozialen Hintergründe der an den Prozessen Beteiligten und mögliche Bezüge zur Urteilspraxis erhoben werden. Es bedarf einer differenzierteren Bewertung der bayerischen Justizpraxis als bisher. Das kann wiederum Anlass geben, gängige Thesen über die Rolle der Justiz für das Funktionieren und Scheitern der Weimarer Republik zu überprüfen und auszudifferenzieren. In diesem Kontext gilt es darüber hinaus, bestehendes Wissen neu einzuordnen. Der Hitler-Ludendorff-Prozess ist einerseits eines der bestuntersuchten Volksgerichtsverfahren, andererseits fehlt es bislang am Wissen über dessen rechts- und sozialgeschichtlichen Kontext, was eine umfassende Einordnung des Verfahrens in der Weimarer Justizpraxis bedeuten würde. Diese Neuverortung soll ebenso geleistet werden, wie eine diachrone Neubewertung von Prozessmodellen und Momenten der Verfahrensordnung, die die Sondergerichte als juridische Institution kennzeichnen und zu deren Ausbildung sie beigetragen haben - etwa hinsichtlich prozeduraler Neuerungen wie der modifizierten Form der Laienbeteiligung an Strafrechtsverfahren.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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