Die Residenznekropole von Dahschur in Ägypten
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die im Rahmen des DFG-Projektes durchgeführten Arbeiten haben wesentlich dazu beigetragen, die archäologische Arbeit in der Nekropole von Dahschur in eine neue Perspektive zu rücken und in ihrer Gesamtheit zu verstehen. Dabei spielte auch die erstmalige Anwendung moderner Prospektionsmethoden in Dahschur eine entscheidende Rolle. Systematisch in den Blick genommen wurden erstmals die fruchtlandnahen Zonen, in denen sich die Taltempel und Pyramidenstädte befinden. Durch Bohrungen konnte die nördliche Pyramidenstadt des Snofru lokalisiert werden. Bohrungen haben weiterhin gezeigt, dass das Begehungsniveau zur Zeit der großen Pyramiden 6-7m tiefer als heute gelegen hat und dass sich dort, wo sich heute fruchtbares Gebiet befindet, in alter Zeit ein mindestens 700 m breiter Flachwüstenstreifen gelegen hat. Die erhobenen Befunde leisten einen wesentlichen konkreten Beitrag zum klimatischen und landschaftlichen Wandel im Ausgang des Alten Reiches und haben den Anstoß zu einem 2008 gestarteten Projekt zur Rekonstruktion der antiken Landschaft und Umwelt des Deutschen Archäologischen Instituts und dem Institut für Physische Geographie der Freien Universität Berlin (TOPOI) gegeben. Wesentliche Fortschritte wurden auch in chronologischer Hinsicht erzielt, denn es wurden Grabungen in zwei Friedhöfen durchgeführt, die eine durchgehende Belegung von der frühen 4. Dyn., wo der Platz durch die beiden Pyramiden des Snofru inauguriert wurde, bis in das spätere Alte Reich, was bisher in Dahschur noch nicht untersucht wurde, aufweisen. Im Süden von Dahschur wurde ein Komplex freigelegt, in dem sich Familiengräber aus Lehmziegeln um die große Steinmastaba des Ritualisten und Musikers Ipi aus der Zeit des Snofru gruppieren. Wahrscheinlich handelt es sich bei den Besitzern der umliegenden Gräber um Priester, die den Kult an der Knickpyarmide des Snofru durch das Alte Reich hindurch versahen und die sich durch die Lage ihrer Grabstätten bewusst in eine Beziehung zum verstorbenen Ipi setzten. Im Wadi östlich der Roten Pyramide wurde ein 50 x 35 m großes Gebiet mit Gräbern der 4.-6. Dyn, in einem von uns neu entdecktem Friedhof ausgegraben. Durch magnetometrische Untersuchungen und Oberflächenbegehungen wurde ermittelt, dass das gesamte Tal dicht mit Lehmziegelgräbern aus dem gesamten Alten Reich belegt ist. Das Grundgerüst der Belegung in dem von uns freigelegten Areal bildet ein Raster dicht aneinander gebauter mittelgroßer Mastaba-Anlagen mit mehreren Grabschächten, vor denen sich Miniaturmastabas und Sekundärbestattungen in Grabschächten befinden. In den zumeist ungestörten Grabschächten waren die Bestattungen zum Teil hervorragend erhalten. Die anthropologische Analyse des Skelettmaterials ermöglicht eine Individualisierung der Bestattungen, die die Grundlage für das Verständnis der Gräber als hierarchisch strukturierte Familiengräber bildet. Die Beigaben in den Grabschächten, Grabkammern und oberirdischen Opferstellen wurden sorgfältig dokumentiert und enthalten neben der chronologischen Information wichtige Hinweise zu rituellen Praktiken, die während der Bestattung und beim späteren Totenkult durchgeführt wurden. Einige epigraphische Zeugnisse bestätigen die bereits anhand der Friedhofsstruktur und -lage gegründete Hypothese, dass es sich bei den Besitzern der Gräber um die Bewohner der nördlichen Pyramidenstadt des Snofru und damit um die Priester handelt, die den Kult an der Roten Pyramide des Snofru durch das Alte Reich hindurch durchführten. Die Analyse der Gräber und Bestattungen erlauben - erst- und einmalig in der memphitischen Region - Rückschlüsse auf Zusammensetzung und Geschichte der Bewohner einer Pyramidenstadt, der nördlichen Pyramidenstadt des Snofru (die aufgrund ihrer tiefen Lage im Grundwasser selbst nicht ausgegraben werden kann) und auf Lebensbedingungen und Gesundheitsstatus dieser Bevölkerungsgruppe. Die Publikation dieses Friedhofs soll Grabungen miteinbeziehen, die in den 70er Jahren vom ägyptischen Antikendienst im nördlichen Teil des Friedhofs unternommen wurden, und die unveröffentlicht geblieben sind (die Unterlagen wurden uns von H. Altenmüller freundlicherweise zur Verfügung gestellt). Durch die magnetometrische Prospektion wurde 2007 ein Schachtgräberfeld westlich der Pyramide Amenemhets II. entdeckt. Es handelt sich um einen bisher nicht bekannten, im Zusammenhang mit dem Pyramidenkomplex Amenemhets II. geplanten Friedhof, der seit 2008 im Rahmen eines weiteren DFG-Projektes erforscht wird. Es versteht sich, daß durch die im Rahmen des Projekts geleisteten Arbeiten der gewaltige Nekropolenbereich von Dahschur nicht vollständig archäologisch abgeklärt werden konnte. Dieser Illusion hat sich das Projekt niemals hingegeben. Die zahlreichen Ergebnisse zu bislang weitgehend unbearbeiteten archäologischen und historischen Fragestellungen haben demgegenüber eine Reihe von Projektaufgaben konstituiert, die schrittweise in topographisch enger fokussierten Projekten weiter verfolgt werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Die Nekropole von Dahschur. Forschungsgeschichte und Perspektiven, in: M. Bárta, J. Krejcí (eds.), Abusir and Saqqara in the Year 2000, Archiv Orientalní Supplementa IX, Prag 2000, 283-304
N. Alexanian, S. Seidlmayer
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Die Residenznekropole von Dahschur, Erster Grabungsbericht, in: MDAIK 58, 2002, 1-28
N. Alexanian, S. J. Seidlmayer
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Die Residenznekropole von Dahschur, in: Sokar 5, 2002, 14-19
N. Alexanian, S. Seidlmayer
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Survey and Excavations at Dahshur, in: Egyptian Archaeology 20, 2002, 3-5
N. Alexanian, S. Seidlmayer
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Aktuelles aus Dahschur, in: Sokar 8, 2004, 23
N. Alexanian, S. Seidlmayer
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Aktuelle Ausgrabungen in Dahschur 2006, in: Sokar 13, 2006, 30-32
N. Alexanian, S. Seidlmayer
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Die Residenznekropole von Dahschur. Zweiter Grabungsbericht, in: MDAIK 61, 2006, 7-41
N. Alexanian, H. Becker, M. Müller, S.J. Seidlmayer
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Neues zur Residenznekropole der 13. Dynastie. Survey in Dahschur- Nord/Sakkara-Süd und Dahschur-Süd, in: Sokar 13, 2006, 46-52
R. Schiestl
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Dahschur in der 13. Dynastie. Bericht über den im Frühjahr 2006 durchgeführten Survey, in: MDAIK 64, 2008, 239-266
R. Schiestl
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Zwischen Imeni-Qemau und Mazghuna: Bericht über die erste Testgrabung in der Residenznekropole der 13. Dynastie von Dahschur Süd, in: Sokar 16, 2008, 63-67
R. Schiestl
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Spurensuche am Aufweg der Knickpyramide, in: Sokar 18, 2009, 22-23
N. Alexanian, S. Seidlmayer
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The Necropolis of Dahshur. Excavation Report Spring 2006, in: ASAE 83, 2009, 25-41
N. Alexanian, R. Schiestl, S.J. Seidlmayer
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Ein Gräberfeld aus der Zeit Amenemhets II., in: Sokar 21, 2010, 64-65
N. Alexanian, D. Blaschta, S.J. Seidlmayer
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Zur Rekonstruktion der antiken Landschaft in Dahschur, in: Sokar 21, 2010, 20-21
N. Alexanian, W. Bebermeier, D. Blaschta, A. Ramisch, B. Schütt, S.J. Seidlmayer