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Der Kult des Achilleus im nördlichen Schwarzmeerraum - Aspekt und Modellfall des nordpontischen Akkulturationsphänomens
Antragsteller
Professor Dr. Heinz Heinen (†)
Fachliche Zuordnung
Klassische, Provinzialrömische, Christliche und Islamische Archäologie
Förderung
Förderung von 2001 bis 2008
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5263738
Unter den Kulturen des nördlichen Schwarmeerraums nimmt derjenige des Achilleus eine zentrale Stellung ein: Von den ionischen Siedlern im Zuge der griechischen Kolonisation mitgebracht, entwickelte er sich rasch zu einem der bedeutendsten Kulte im nordwestlichen Pontos und entfaltete hier eine spezifische Eigendynamik, die sich in der Verehrung des Achilleus nicht nur als Heros, sondern auch als Gott manifestierte. Zentren seiner Verehrung waren das vor der Donaumündung gelegene, mythenbehaftete Eiland Leuke sowie das Territorium der Polis Olbia im Mündungsgebiet von Bug und Dnjepr, wo sich sein Kult durch eine reiche Denkmälerüberlieferung über einen Zeitraum von rund 800 Jahren (2. Hälfte 6. Jh. v. Chr. bis 1. Hälfte 3. Jh. n. Chr.) verfolgen lässt. Diese breite Überlieferung in einem begrenzten Raum bietet eine hervorragende Grundlage, um das Phänomen der Akkulturation in seinen Wechselwirkungen exemplarisch an einem Fall in seiner ganzen zeitlichen und materiellen Ausdehnung zu untersuchen. Der Achilleus-Kult erscheint dabei als Spiegel der nordpontischen Akkulturationsprozesse geradezu prädestiniert: Umspannen die diesbezüglichen Quellen doch praktisch den gesamten Zeitraum der politischen und soziokulturellen Entwicklung der griechischen Polis Olbia, die im Verlauf ihrer Geschichte zunehmend Einflüssen des indigen (insbesondere sarmatisch) geprägten Hinterlandes ausgesetzt war. Die Verehrung des Achilleus in spätarchaischer und klassischer Zeit ist gekennzeichnet durch einfache Votivgraffiti auf Ostraka, die sich auf die bloße Wiedergabe des Götternamens beschränken und z.T. mit primitiven Ritzzeichnungen kombiniert sind. Sie sind Zeugnisse einer volkstümlichen Ausübung des Kultes durch die Olbiopoliten. Einen offiziellen Charakter dagegen trägt der Kult im 2. und 3. Jh. n. Chr., als er mit der Verehrung des Achilleus als "Pontarches" in Olbia geradezu den Rang eines Staatskultes erhält. 45 Weihinschriften sind bis heute bekannt, die ihm zu Ehren von Kollegien der höchsten städtischen Magistrate und von Priestern gestiftet wurden. Die Wirkungskraft des Pontarcheskultes als identitätsstiftender Faktor für die heterogene Bevölkerung im multikulturell geprägten Olbia kann nicht hoch genug veranschlagt werden. So zeugt z.B. die nur im kaiserzeitlichen Olbia zu beobachtende gehäufte Verwendung von "Achilleus" als Personenname, in Kombination mit griechischen und sarmatischen Eigennamen, wie tief verwurzelt und verinnerlicht die Verehrung des Gottes unter den Olbiopoliten bereits war. Es ist Ziel des vorliegenden Projektes, den Wandel in den Kultvorstellungen und -praktiken vor dem Hintergrund des nordpontischen Akkulturatiopnsphänomens herauszuarbeiten und die Dynamik dieses Prozesses zu begreifen.
DFG-Verfahren
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