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Das Casinoglücksspiel in der Bundesrepublik Deutschland (1949-2020): Eine Emotionsgeschichte
Antragsteller
Professor Dr. Cornelius Torp
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung seit 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 526389960
Das Forschungsprojekt untersucht die Geschichte des Glücksspiels in bundesdeutschen Spielbanken und -hallen seit der Mitte des 20. Jahrhunderts. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte das Glücksspiel eine forcierte Liberalisierung und Kommerzialisierung, geriet seit den frühen 1980er Jahren jedoch zugleich in den Fokus der psychologisch-medizinischen Kritik, die das Krankheitsbild des „pathologischen Spielers“ etablierte. Der Untersuchungszeitraum des Projekts beginnt 1949 mit der ersten Gründungswelle von Casinos und endet im Jahr 2020, als die Corona-bedingte Schließung aller Spielbanken und -hallen den Trend in Richtung Online-Casino beschleunigte. Ohne die transnationale Bewegung von Kapital, Akteuren und Konzepten aus dem Blick zu verlieren, liegt der räumliche Fokus des Projekts auf der Bundesrepublik Deutschland. Anhand dieses Fallbeispiels beabsichtigt das Projekt nachzuzeichnen, wie sich das Casinoglücksspiel im 20. Jahrhundert nicht nur in den weltweit bekannten Casinometropolen wie Las Vegas und Macau, sondern flächendeckend als allgemein akzeptierte Freizeitaktivität durchsetzen konnte. Damit leistet es nicht nur einen Beitrag zur bisher kaum erforschten Geschichte des Glücksspiels, sondern bewegt sich zugleich an der Schnittstelle von mehreren Kernthemen der Zeitgeschichte, wie sie Konsum, Freizeit, Risiko, Sucht, Therapie und die Rolle des Staates zwischen Normensetzung und fiskalischem Interesse darstellen.Das Projekt geht von einem emotionshistorischen Ansatz aus, der in besonderer Weise geeignet ist, den zeitgeschichtlichen Aufstieg des Glücksspiels in Wirtschaft, Freizeit und Medizin zu analysieren. Gefühle tauchen in dieser Geschichte einmal als zu bewirtschaftendes, einmal als zu erlebendes und einmal als zu behandelndes Phänomen auf. Das Projekt betrachtet den Umgang mit Emotionen entlang dieser drei zentralen Dimensionen: Erstens fragt es nach dem sich verändernden Stellenwert von Gefühlen im ökonomischen Denken der Casinobetreibenden und wie sich dieser in der Gestaltung der Spielorte niederschlug. Zweitens untersucht es, was Spielende motivierte, ihre Freizeit in Spielbanken und -hallen zu verbringen und inwiefern sich das Glücksspiel als emotionale Praktik begreifen lässt. Drittens schaut es auf die diskursive Karriere der sogenannten Spielsucht und darauf, wie das als pathologisch angesehene Spielverhalten durch Strategien des Emotionsmanagements in einem therapeutischen Kontext bearbeitbar gemacht wurde. Ziel des Projekts ist es, die geschichtlichen Prozesse und Mechanismen aufzudecken, die das Casinoglücksspiel zu dem lukrativen Markt, zu der Mainstream-Freizeitaktivität und dem psychologisch-therapeutischen Problem gemacht haben, das es heute ist. Es weist dabei auf die historische Entwicklung eines emotionalen Stils der Freizeit- und Konsumgesellschaft hin, in der die Bearbeitung von Gefühlen zunehmend als Schlüssel für wirtschaftlichen Erfolg, persönliches Glück sowie psychische Gesundheit betrachtet wird.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Großbritannien, Niederlande
Kooperationspartnerinnen / Kooperationspartner
Professor Dr. Sytze F. Kingma; Privatdozentin Dr. Gerda Reith