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Interim und Obrigkeitskritik. Die Auseinandersetzungen um die Annahme des (Augsburger/Leipziger) Interim im Alten Reich (1548-1555)

Fachliche Zuordnung Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung Förderung von 2000 bis 2009
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5267506
 
Es ist ein fest verwurzeltes (Vor)-urteil, daß es in der deutschen Geschichte eine kontinuierliche Widerstandstradition nicht gibt. Diese Auffassung hat die deutsche Geschichtsschreibung seit der Mitte des 19. Jh. gepflegt, die internationale Forschung zum politischen Denken der Neuzeit folgt bis heute der Selbstdeutung, indem eine neuzeitliche Widerstandstradition auf wesensmäßige Züge des Calvinismus zurückgeführt wird, so daß es eigentlich nur eine entsprechende westeuropäisch-nordamerikanische Traditionslinie geben könne. Selbst wenn gewichtige Arbeiten zur Geschichte der deutschen Frühneuzeit seit den achtziger Jahren diese Zwangsläufigkeiten relativiert haben, so bleibt das Bild vom deutschen 16. Jh. als demjenigen, in dem die Chance zum Anschluß an die westeuropäische Entwicklung verpaßt worden sei, ungebrochen lebendig. Eine Analyse der reichsweiten Auseinandersetzungen um die Einführung des sog. Interim (1548) kann dieses Urteil endgültig korrigieren und zwar auf einer breiteren sozial- und theologiegeschichtlichen Basis als dies die bisherigen Forschungen zum politischen Denken seit dem Nachweis der Bedeutung der Magdeburger Confessio (1550) zu tun vermochten. Denn die Ablehnung der vom Kaiser vorgeschriebenen Zwischenlösung für die Ordnung der Kirche wurde von der gesamten protestantischen Bevölkerung (Bürgertum, Adel, Amtsträger, ländliche Bevölkerung) getragen und erstreckte sich keineswegs auf den Süden des Reiches allein. Die Gemeinsamkeit der Verweigerung begründete eine Kommunikationsgemeinschaft, innerhalb derer die Legitimität der Kritik an obrigkeitlichen Maßnahmen bis hin zum Recht auf Widerstand gegenüber einer unchristlichen Obrigkeit breit diskutiert und wiederholt in praktische Handlungen umgesetzt wurde. Die Dichte der Argumentation ebenso wie die Intensität der praktischen Gehorsamsverweigerungen im ganzen Reich sind bislang fast unbekannt geblieben, eine Folge der eingangs skizzierten Forschungsmeinung einerseits, des fehlenden Zugangs zu den Quellen andererseits. Die jahrzehntelange Sperrung der reichen Quellenbestände, die zu den Ereignissen in den Archiven der vergangenen DDR lagern, deren Geschichtsschreibung sich dieser Problematik als einer "reaktionären" nicht widmete, be- bzw. verhinderte eine sachlich und regional angemessene Erforschung des Gesamtkomplexes.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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