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Der naive Realismus unter Druck

Antragstellerin Professorin Dr. Eva Schmidt
Fachliche Zuordnung Theoretische Philosophie
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 527893220
 
Das Projekt „Der naive Realismus unter Druck“ konzentriert sich auf drei Herausforderungen für einen puristischen naiven Realismus. Der naive Realismus besagt, dass sinnliche Wahrnehmung eine Beziehung des Bewusstseins oder der Bekanntschaft zwischen dem wahrnehmenden Subjekt und der geistunabhängigen Außenwelt ist. Der puristische naive Realismus ist zusätzlich auf das Prinzip „Kein Inhalt“ festgelegt, demzufolge Wahrnehmungserlebnisse keinen repräsentationalen Inhalt und keine Akkuratheitsbedingungen haben, sowie auf den Selektionismus, demzufolge der phänomenale Charakter eines Wahrnehmungserlebnisses vollständig durch die externen Entitäten festgelegt wird, die sich dem Subjekt präsentieren. Die Herausforderungen für den puristischen naiven Realismus ergeben sich (A) aus der perzeptuellen Reaktionsvariabilität – den verschiedenen Arten und Weisen, wie das Wahrnehmungssystem auf identische Stimuli reagiert; (B) aus der spezifischen epistemischen Signifikanz von Wahrnehmungserlebnissen als Bereitstellern von Rechtfertigungsgründen für Überzeugungen, (C) und aus der Rolle von Wahrnehmungsfähigkeiten in plausiblen Theorien der Wahrnehmung. Die Herausforderung (A) besteht kurz gesagt darin, dass sich im phänomenalen Charakter von Wahrnehmungserlebnissen die Tatsache wiederspiegelt, dass das perzeptuelle System auf variable Weise auf exakt identische externe Bedingungen reagieren kann. Gemäß Herausforderung (B) kann die puristische naiv-realistische Konzeption von Wahrnehmungserlebnissen als bloßen Beziehungen zu außenweltlichen Einzeldingen die Rolle der Wahrnehmung als Quelle perzeptuellen Wissens und von perzeptueller Rechtfertigung nicht erklären. Wir können der epistemischen Signifikanz der Wahrnehmung nur gerecht werden, wenn wir perzeptuelle Inhalte zulassen, die inferenzartige Beziehungen eingehen können. Herausforderung (C) geht von der Beobachtung aus, dass jedes Wahrnehmungserlebnis die Fähigkeit abruft, die wahrgenommenen Einzeldinge zu diskriminieren und herauszugreifen. Da solche Fähigkeiten jedoch wiederholt ausübbar sind, legen sie uns offenbar auf die Existenz Inhalte transportierender Wahrnehmungserlebnisse fest. Das Projekt wird jede dieser Druckquellen für einen puristischen naiven Realismus untersuchen und dabei Ansätze entwickeln, wie naive Realist*innen reagieren oder ihre Ansichten anpassen könnten, um dem Druck standzuhalten. In einer zweiten Phase des Projekts (Arbeitspaket D) werden wir untersuchen, ob naive Realist*innen den Purismus aufgeben und sich einer ökumenischeren Sichtweise zuwenden können. Eine solche Sichtweise könnte zulassen, dass Inhalte oder interne neurokomputationale Merkmale des wahrnehmenden Subjekts einen Beitrag zum Wahrnehmungserlebnis leisten. Um die Alleinstellungsmerkmale des naive Realismus sicherzustellen, müsste sie es allerdings vermeiden, letzten Endes in einer Variante des Repräsentationalismus aufzugehen, der schließlich den größten Konkurrenten des naiven Realismus darstellt.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Israel
ausländische Mitantragsteller Dr. Ori Beck; Dr. Assaf Weksler
 
 

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