Die Physik der Kolloid-Membran-Umfließungsprozesse: Theorie und Simulation
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Biologische Membranen bestehen hauptsächlich aus Lipidmolekülen, die in wässriger Lösung und unter physiologischen Bedingungen spontan zu einer etwa 5 Nanometer dünnen Doppelschicht aggregieren. Solche Membranen separieren nicht nur das Innere einer jeden lebenden Zelle von deren äußerer Umgebung, sondern sind das wesentliche Strukturelement in vielen Organellen aller eukaryotischer Zellen (wie z.B. Zellkern, endoplasmatisches Retikulum, oder Golgi Apparat). In diese Lipidmembranen sind eine große Anzahl von Proteinen eingebettet, die für viele zellphysiologische Prozesse verantwortlich sind, z.B. den Transport von Stoffen oder Signalen durch die Membran, oder die Stabilisierung der Membranform. Lange Zeit hielt man die Membran dabei lediglich für einen strukturlosen passiven Trager der Proteine, aber im letzten Jahrzehnt wurde unmissverständlich klar, dass die Lipidmembran selbst ganz wesentlich an vielen dieser biophysikalischen Prozesse teilnimmt. Viele Proteine agieren nicht alleine sondern zusammen mit Partnern, und dies erfordert für gewöhnlich, dass sie diese Partner zunächst anziehen und größere Aggregate bilden. Neben klassischen direkten Wechselwirkungen (z.B. Elektrostatik oder van der Waals) spielen dabei auch durch die Membran vermittelte indirekte Wechselwirkungen eine Rolle. Z.B. konnen Proteine lokal die Membran verformen, und diese elastischen Verformungsfelder vermitteln, sobald sie überlappen, Kräfte zwischen den Proteinen. Eine wichtige Frage ist nun, ob solche Kräfte abstoßender oder anziehender Natur sind. Speziell für solche geometrieabhängigen Krafte ist dies aber ein schwieriges Problem, weil die zugrundeliegenden Differentialgleichungen hochgradig nichtlinear sind. In linearer Näherung lassen sie sich zwar losen, und man findet eine repulsive Paarwechselwirkung, dies stimmt aber nicht mit verschiedentlichen experimentellen Erwartungen überein. Warum? In diesem Projekt sind wir der Frage nachgegangen, ob die nichtlinearen “Korrekturen” so stark sein konnen, dass sie sogar das Vorzeichen der Kraft umkehren. Dazu haben wir die zugrundeliegenden Gleichungen für einen weiten Parameterbereich von Teilchenabständen und lokal aufgeprägten Krümmungen numerisch gelost. Tatsächlich zeigt sich, dass es bei hinreichend starker lokaler Membranverformung in einem begrenzten Bereich von Teilchenabständen zu einer Anziehung kommen kann. Die nichtlinearen Korrekturen verändern die lineare Physik vollständig. Dasselbe haben wir auch in ausführlichen Molekulardynamik Simulationen auf Basis eines geeignet vergröberten Membranmodells gezeigt. Die sich ergebenden Paarpotentiale weisen jedoch nie einen gebundenen Zustand auf, der energetisch niedriger liegt als das separierte Paar, und somit verbleibt die Frage, ob biophysikalische Phänomene, die auf dererlei Attraktionen beruhen, auch dann zufriedenstellend erklärt werden können, wenn die Wechselwirkung asymptotisch repulsiv ist. Unsere weiteren Untersuchungen der Vielkörperwechselwirkungen (in der Zellenmodell-Näherung) beantworten die Frage für bestimmte Situationen mit “ja”, denn kooperative Vielteilchen-Effekte können die Zustandsgleichung adsorbierter Teilchen ebenfalls stark modifizieren. Schließlich spielt in dieser Situation auch die komplizierte Lipidzusammensetzung von Biomembranen eine wichtige Rolle. Neuere Experimente weisen z.B. darauf hin, dass sich die äußere Zellmembran nahe an einem kritischen Entmischungsübergang befindet. Wir haben sowohl in Simulationen also auch mittels einer sehr einfachen “mean field” Theorie gezeigt, dass in diesem Fall ebenfalls eine Anziehung zwischen selektiv auf der Membran adsorbierenden Teilchen erfolgt, welche generell mit der geometrievermittelten Wechselwirkung in Konkurrenz treten wird. Dass für diese zweite vermittelte Wechselwirkung eine Attraktion auftritt war bereits aus Vorarbeiten bekannt; allerdings haben wir demonstriert, dass dieser Effekt mittels Modellen studiert werden kann (sowohl analytisch also auch in der Simulation), die gleichzeitig auch die geometrischen Aspekte korrekt und effizient Beschreiben können. Für die Zukunft ist es deshalb von Interesse, dieses Wechselspiel direkt zu studieren.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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“Membrane mediated interactions between circular particles in the strongly curved regime”. Soft Matter
Benedict J. Reynwar und Markus Deserno
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“Membrane composition-mediated protein-protein interactions”. Biointerphases 3, FA117 (2008)
Benedict J. Reynwar und Markus Deserno
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“Mesoscopic Membrane Physics: Concepts, Simulations, and Selected Applications”. Macromol. Rapid. Comm. 30, 752771 (2009)
Markus Deserno
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“Multiscale modeling of emergent materials: biological and soft matter”. Phys. Chem. Chem. Phys. 11, 18691892 (2009)
Teemu Murtola, Alex Bunker, Ilpo Vattulainen, Markus Deserno und Mikko Karttunen