Wirksamkeit universeller Präventionsmaßnahmen zur Reduktion externaler und internaler Störungen bei Kindern im Vorschulalter
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Dissemination universeller präventiver Maßnahmen. Auf Grund der Erfahrungen aus der 1. Studie und der berichteten Projektablehnungsgründe wurde in den nachfolgenden Studien 2 bis 4 (Disseminationsstudie, Grundschulstudie, Selbsthilfestudie) auf eine aufwändige und als intensiv erlebte Diagnostik wie z.B. Hausbesuche, Videoaufzeichnung und Kind-Testung verzichtet. Dadurch ließ sich jedoch die Teilnahmerate nicht wesentlich verbessern. Die Ergebnisse zeigen, dass sich ca. 1/3 aller potenziell möglichen Familien an den Präventionsstudien beteiligt, und zwar unabhängig von den diagnostischen Anforderungen, die mit der jeweiligen Studie verbunden sind. Allein die Verringerung des diagnostischen Aufwandes verbessert somit nicht die Rekrutierungsrate. Es wurde vermutet, dass sich die mit der reduzierten Diagnostik einhergehende geringere Intensität der Kontakte zwischen den Projektmitarbeitern und den Familien ungünstig auf die Beteiligung an der Intervention auswirken könnte. Entgegen dieser Annahme konnte die Teilnahme jedoch deutlich gesteigert werden (Disseminationsstudie: 84%; Selbsthilfestudie: 99%). Dies lässt sich vermutlich dadurch erklären, dass sich die Familien in den Studien 2 und 4 mit der Teilnahme am Projekt gleichzeitig für eine Programmteilnahme entschieden haben. Dagegen konnten sich die Familien in der prospektiven Kontrollgruppenstudie zunächst für eine Projektteilnahme entscheiden und erst in einem weiteren Schritt - nach der Zuordnung zu den Experimentalbedingungen - eine Entscheidung über die Programmteilnahme treffen. Studie 3 hat gezeigt, dass es im Bereich Grundschule besser gelingt, Familien zur Teilnahme zu gewinnen, bei denen diese auch indiziert scheint. Es ergeben sich deutlich höhere Prävalenzraten für diese Stichprobe. • Drop-Out bei Längsschnittstudien. Für Längsschnittstudien ist es erforderlich, eine möglichst hohe Beteiligung an der Studie über die Messzeitpunkte hinweg zu gewährleisten. Im Sinne einer guten Stichprobenpflege wurden in allen Teilstudien verschiedene Anstrengungen unternommen, um den Kontakt zu den Familien zu halten (Newsletter, Geburtstagsgrüße, Weihnachts- und Osterpost). Dennoch wirken sich die unterschiedlichen Projektanforderungen unmittelbar auf die Beteiligung an der Studie zur Postmessung und insbesondere zu den Follow-up-Untersuchungen aus. Die Erhebung im Rahmen von Hausbesuchen - wie in der prospektiven Kontrollgruppenstudie - scheint einen günstigen, motivierenden Einfluss auf die weitere Teilnahme am Projekt zu haben. • Zufriedenheit mit dem Triple P-Gruppentraining. Auch in Studie 2 und 3 ist die Zufriedenheit der Eltern mit dem Triple P-Gruppentraining sehr hoch. Für den Bereich Grundschule sind allerdings einige inhaltliche Anpassungen sinnvoll. • Replikation kurzfristiger Effekte des Triple P-Gruppentrainings. Die Ergebnisse von Studie 1 zur Wirksamkeit des Triple P-Gruppentrainings konnten in Studie 2 und 3 repliziert werden. Kurzfristig (Post) ergaben sich für Mütter und z.T. auch für Väter bedeutsame Effekte bezogen auf das Erziehungsverhalten und das kindliche Verhalten, dies auch im Vergleich zur Kontrollgruppe von Studie 1. Die größte Veränderung wurde wie erwartet im Erziehungsverhalten gefunden, einhergehend mit Veränderungen in kindlichen emotionalen und Verhaltensproblemen. Es fanden sich keine Anzeichen für eine differentielle Wirksamkeit des Trainings für Jungen oder Mädchen bzw. für bestimmte Altersstufen. Die Grundschulstudie (Studie 3) hat außerdem gezeigt, dass das Triple P-Training auch von Eltern bzw. Müttern von Grundschulkindern als wirksam erlebt wird. Allerdings sind die Effekte bis in den Schulalltag und damit Veränderungen aus Sicht der Lehrerinnen insgesamt nur gering. • Mittel- und langfristige Effektivität des Triple P-Gruppentrainings. Es zeigte sich, dass zumindest aus Sicht der Mütter das Triple P-Elterntraining in Gruppen über einen 3-Jahres-Zeitraum wirksam ist und das Erziehungsverhalten und externalisierende Auffälligkeiten der Kinder im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich verbessern kann. Veränderungen im beobachtbaren Verhalten in Folge des Trainings entsprechen den Erwartungen, allerdings eher gering. Insbesondere ist eine Abnahme negativen Verhaltens zu beobachten, die die Mütter auch im Fragebogen berichten. Weitere Veränderungen, die für beide Gruppen feststellbar sind, sind wahrscheinlich auf altersentsprechende Entwicklungsprozesse zurückzuführen. Effekte auf das Verhalten der Kinder im Kindergarten lassen sich nicht feststellen. Sowohl in der EG als auch in der KG lässt sich eine Abnahme auffälligen Verhaltens der Kinder beobachten. Diese sind vermutlich auch auf entwicklungsbedingte Veränderungen zurückzuführen. Auch auf die selbst berichtete Lebensqualität der Kinder wirkt sich möglicherweise die Teilnahme der Eltern an einem Triple P-Training aus. Dabei ist allerdings zu beachten, dass diese Ergebnisse nur auf einer Teilstichprobe (5- und 6-jährige) beruhen. Der durch das Training erreichte Effekt auf das dysfunktionale Erziehungsverhalten bleibt stabil und ist damit vergleichbar mit den Ergebnissen von Zubrick et al. (2005) mit einer universellen Stichprobe beim 2-Jahres-Follow-Up. Mütter und Väter erleben die Veränderungen durch das Triple P-Training als unterschiedlich stark bzw. umfangreich bezogen auf die verschiedenen (Lebens-) Bereiche. Dies ist nicht erstaunlich, da die Väter in der Regel nicht oder weniger am Training teilgenommen haben. Überraschend sind in diesem Zusammenhang die Effekte auf das dysfunktionale Erziehungsverhalten der Väter. Es bleibt unklar, ob diese direkt durch das Training erreicht wurden oder vermittelt über die Veränderungen im Verhalten der Kinder. Vermutlich handelt es sich um ein interaktives Geschehen, wo sich Ursache und Wirkung nicht voneinander trennen lassen. Dagegen dürfte anzunehmen sein, dass die Veränderungen im Verhalten der Kinder zumindest anfänglich vor dem Hintergrund der Veränderungen des Erziehungsverhaltens der Mütter zu sehen sind. Insgesamt lassen sich bei der Wirkungsevaluation hinsichtlich schulischer Kriterien bis auf einen niedrigen Effekt (0.23) keine Effekte des Trainings feststellen. Hierbei muss jedoch betont werden, dass in der bisherigen Evaluationsforschung langfristige, „harte" Erfolgskriterien (z. B. kindliches Alltagsverhalten) noch eher die Ausnahme sind. Mit den Ergebnissen der Erlangen- Nürnberger Studie und den Arbeiten der Conduct Problems Prevention Research Group stimmen diese Ergebnisse sehr gut überein. • Alleinerziehender Mütter. Aufgrund der durchgeführten Analysen über die Fragebogendaten scheint die Gruppe alleinerziehender Mütter weniger von einem Triple P-Elterntraining zu profitieren als Mütter in Partnerschaften. Die Beobachtungsdaten zeigen dagegen deutliche Effekte des Trainings. Diese widersprüchlichen Ergebnisse sind möglicherweise darauf zurückzuführen, dass sich Alleinerziehende stärker belastet fühlen, was sich vor allem in den Selbstberichtsdaten widerspiegeln könnte. Durch die Teilnahme am Training gemeinsam mit nicht-AI leinerziehenden könnten Vergleichsprozesse bezüglich der erfragten Variablen stattfinden, die ungünstig ausfallen und so die möglichen Effekte überdecken. Durch diese auf den ersten Blick überraschenden Ergebnisse ist die Bedeutung multimodaler Diagnostik deutlich geworden. • Effektivität des Triple P-Selbsthilferatgebers. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass der Elternratgeber Triple P als Selbsthilfebuch mit telefonischer Unterstützung eine Reduktion kindlicher Verhaltensauffälligkeiten und die Verbesserung mütterlichen Erziehungsverhaltens erzielt. Dies unterstützt die Ergebnisse vorangegangener Untersuchungen, in denen der Triple P-Selbsthilfe-Ratgeber in unterschiedlichen Kontexten überprüft wurde. In der vorliegenden Untersuchung ist die entsprechende Effektstärke für den CBCL-Gesamtwert 0.7 und für den Erziehungsfragebogen 1.0. Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass Familien mit einem hohen sozioökonomischen Status in der Studie überrepräsentiert sind. Das bedeutet, dass die festgestellte Wirksamkeit des Selbsthilferatgebers nicht uneingeschränkt generalisiert werden kann. Es kann zunächst nur davon ausgegangen werden, dass Familien, die über gute Lesefähigkeit und Motivation verfugen, diese Resultate erzielen. Auch ist bei Erwerb des frei erhältlichen Selbsthilferatgebers nicht das Video enthalten und in der Regel steht auch kein Triple P-Trainer zur Verfügung, der das Durcharbeiten begleitet.