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Wie man verbunden bleibt: Evolution und Entwicklung des Plugs, eines temporären neuen Gewebes bei Reisfischen (Beloniformes: Adrianichthyidae)

Antragstellerin Dr. Julia Schwarzer
Fachliche Zuordnung Evolution, Anthropologie
Evolutionäre Zell- und Entwicklungsbiologie der Tiere
Systematik und Morphologie der Tiere
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 529550112
 
Der Ursprung von evolutiven Neuheiten ist eine zentrale Frage in der Evolutionsbiologie. Das Modell der stressinduzierten evolutionären Innovation (Stress Induced Evolutionary Innovation, SIEI) beschreibt, wie neuartige strukturelle Komponenten aus ursprünglichen Stressreaktionen entstehen. Dies können zum Beispiel abgewandelte Entzündungsreaktionen sein. Seltene Beispiele sind die extrem dicke Epidermis von Walen und Delfinen und die Stromazellen der Dezidua, einem Teil der Gebärmutterschleimhaut der Placentalia. Ein weiteres Beispiel ist der „Plug“ der Reisfische Sulawesis (Beloniformes: Adrianichthyidae). Weibliche Reisfische tragen die befruchteten Eier, die durch Filamente mit dem Inneren ihres Körpers verbunden sind. Während die meisten Reisfischarten ihre Eier kurz nach dem Ablaichen ablegen (sogenannte Transferbrüter), bleiben sie bei einigen Arten bis zum Schlupf der Jungfische mit ihnen verbunden (sogenannte Bauchbrüter). Der Plug ist ein neuartiges, vergängliches Gewebe, das sich im weiblichen Fortpflanzungstrakt von bauchbrütenden Reisfischarten um die Filamente bildet und eine wichtige Rolle beim Festhalten der Eier spielt. Unsere eigenen Daten zeigten, dass das Transkriptom des Plugs der bauchbrütenden Art Oryzias eversi von Entzündungssignalen dominiert wird. Darüber hinaus haben wir anhand der Histologie festgestellt, dass im Plug multinukleäre Riesenzellen vorhanden sind, die ein Kennzeichen von Fremdkörpergranulomen sind. In dem vorgeschlagenen Projekt wollen wir (1) die Wege zum verlängerten Eitragen bei Reisfischen anhand der Morphologie vergleichen und (2) die Bildung des Plugs bei O. eversi auf Zellebene untersuchen. Im ersten Teil werden wir µ-Computertomographie, Histologie und Immunzellfärbung kombinieren, um die Makro- und Mikroanatomie des Fortpflanzungstrakts von weiblichen Reisfischen zu vergleichen. Im zweiten Teil werden wir die Analyse von Transkriptomen einzelner Zellen im Plug und angrenzendem Gewebe mit einer Transkriptomanalyse kombinieren, die die räumliche Untersuchung der Verteilung von Zellen in diesen Geweben (zu verschiedenen Zeitpunkten während der Brut) erlaubt. Mit den so gewonnenen Daten können wir die Verteilung und Herkunft der Zelltypen im Plug kartieren und so die Bildung des Plugs besser verstehen, sowie Ähnlichkeiten und Unterschiede zur Granulombildung bei Fischen und zu granulomatösen Erkrankungen beim Menschen (z.B. Tuberkulose) ermitteln. Die Ergebnisse des vorgeschlagenen Projekts werden neue Erkenntnisse über die evolutionären Wege liefern, die das Bauchbrüten innerhalb der Reisfische erklären. Darüber hinaus wird sich zeigen, ob die Entwicklung des Plugs in der Oryzias-Linie das Ergebnis einer entzündungsbedingten Bildung eines neuen Gewebes ist, und ob die Bildung des Plugs der von Fremdkörpergranulomen ähnelt. Wenn dies der Fall ist, wäre der Plug der Reisfische das erste Beispiel für ein Granulom, das eine abgewandelte Funktion in einem nicht-krankheitsbezogenen Kontext zeigt.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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