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Herstellung dreidimensionaler Funktionsbauteile aus Hochleistungskeramik mittels direktem Tintenstrahldruck-Verfahren

Fachliche Zuordnung Werkstofftechnik
Förderung Förderung von 2008 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 52977705
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Ziel des Gesamtvorhabens war es, funktionskeramische Elemente aus den nichtoxidischen Werkstoffen Siliziumnitrid (Si3N4) und Molybdändisilizid (MoSi2) über ein neuartiges direktes Tintenstrahldruckverfahren herzustellen und umfassend werkstofftechnisch zu charakterisieren. Hierzu wurde ein kommerzieller Tintenstrahldrucker modifiziert und mit Reinigungs- und Trocknungseinheiten ausgestattet. Werkstoffseitig wurden wässrige Suspensionen hergestellt und gegen Ausflockung stabilisiert. Mittels organischer Additive wurden die rheologischen Eigenschaften der Suspensionen so angepasst, dass ein fehlerfreier Druck gewährleistet war. In 2D- und 3D-Versuchen wurden unterschiedliche Suspensionszusammensetzungen verdruckt und wissenschaftlich bewertet. Die Verwendung abweichender Suspensionszusammensetzungen führte zu Fehlern im Druckprozess. Die Ursachen von Druckfehlern und die daraus folgenden Erscheinungen konnten eingegrenzt und klassifiziert werden. Unter Verwendung angepasster Suspensionen mit möglichst hohem Feststoffgehalt und optimaler Trocknungsbedingungen konnten im Druckprozess sowohl dünne Schichten mit Schichtdicken von ungefähr 10 µm als auch mikroskalige 3D-Komponenten generiert werden. Dies wurde erfolgreich am Aufbau von Prototypbauteilen, wie z. B. Zahnrädern aus Si3N4 oder Heizleiterstrukturen aus MoSi2 (siehe Titelblatt) gezeigt. Komplexe Strukturen mit hoher Abbildungsgenauigkeit konnten somit realisiert werden. Die Sinterparameter Temperatur, Haltezeit und Atmosphäre konnten erfolgreich zur Herstellung möglichst dichter Si3N4- und MoSi2-Werkstoffe und darüber hinaus zum Cosintern von Multilayern angepasst werden. Da eine drucklose Sinterung in Verbindung mit moderaten Sintertemperaturen im Bereich von 1700 – 1780 °C angewendet wurde, konnte deutlich gemacht werden, dass sich durch den Verzicht auf kostspielige Verfahren wie Gasdrucksintern oder Heißpressen betriebswirtschaftliche Vorteile der verwendeten Prozesskette ergeben können. Es konnten für Si3N4 und MoSi2 hohe Sinterdichten und Gefüge mit niedrigen Porositäten erzielt werden. Die Untersuchung der strukturellen und mechanischen Eigenschaften ergab, dass das sehr feine Gefüge großen Einfluss auf die hohe charakteristische Festigkeit von gedruckten Si3N4- und MoSi2- Werkstoffen hatte. Bei der statistischen Auswertung der Einzelfestigkeiten des Si3N4-Probespektrums konnte eine charakteristische Festigkeit von 643,8 MPa ermittelt werden. Der niedrige Weibullmodul von 1,8 ist durch die hohe Streuung der Defektgrößen bedingt, welche anhand fraktografischer Untersuchungen auf verfahrenstechnische Ursachen während des Druckprozesses zurückgeführt wurden. Besonders die Zuverlässigkeit des Druckkopfes war hier nicht ausreichend, da es vereinzelt zu Fehlstellen aufgrund verstopfter Düsen kam. Ähnliche Ergebnisse konnten für das MoSi2-Probenspektrum erzielt werden. Eine sehr hohe charakteristische Festigkeit von 677,6 MPa, die auf die niedrigen Korngrößen zurückzuführen ist, wurde bestimmt. Auch hier wurde ein sehr niedriger Weibullmodul von 3,3 ermittelt. Die Ursachen waren wiederum drucktechnische Fehler. Die Härte und Risszähigkeit des gedruckten Si3N4-Werkstoffes waren mit 15,1 GPa beziehungsweise 8,7 MPam0,5 mikrostrukturell bedingt und weniger vom genutzten Formgebungsverfahren abhängig. Die vergleichsweise hohe Risszähigkeit ist auf das hohe c/a-Aspektverhältnis der Körner zurückzuführen. Die Härtebestimmung nach Vickers ergab für die MoSi2-Probekörper einen Mittelwert von 10,8 GPa und eine Risszähigkeit von 4,7 MPam0,5, was den für monolithische MoSi2-Werkstoffe hinterlegten Literaturangaben entspricht. Darüber hinaus wurden Versuche zur Herstellung und Sinterung von funktionskeramischen MoSi2- Si3N4-Multilayern durchgeführt. Jedoch kam es häufig zur Ablösung von Schichten beim Übereinanderdruck von MoSi2 und Si3N4 während der Sinterung. Als Hauptgrund ist hier die Differenz der Wärmeausdehnungskoeffizienten von Si3N4 und MoSi2 anzusehen. Es war deutlich zu erkennen, dass die Schichten sich überwiegend an der Grenzfläche Si3N4/ MoSi2 ablösten. In weiteren Versuchen wurden daher Mischungen aus Si3N4 und MoSi2 hergestellt, so dass die Wärmeausdehnungskoeffizienten von nichtleitenden und leitenden Schichtmaterialien angepasst wurden. Auf diese Weise konnten delaminationsfreie Multilayer hergestellt werden. Die elektrischen Eigenschaften der Werkstoffe mit unterschiedlichem MoSi2-Gehalt wurden im letzten Schritt untersucht. Die ermittelten Werte der elektrischen Leitfähigkeit konnten mittels general effective media (GEM)-Gleichung angepasst werden. Die Perkolationsschwelle wurde bei einem MoSi2-Volumenanteil von 0,15 bestimmt. In diesem abgeschlossenen Vorhaben konnte gezeigt werden, dass das direkte Tintenstrahldruckverfahren die Möglichkeit bietet, Multilagen-Werkstoffe mit äußerst geringen Schichtdicken und geometrisch komplizierten Strukturen in einem Prozessschritt herzustellen. Das hohe Potenzial dieses in der Keramik neuartigen Formgebungsverfahrens zur schnellen und flexiblen Herstellung von Struktur- und Funktionskeramiken aus Si3N4, MoSi2 sowie deren Komposite konnte im Rahmen der Untersuchungen herausgearbeitet werden. Die erzielten Ergebnisse motivieren, das genutzte Verfahren weiterzuentwickeln und die Erkenntnisse hinsichtlich der Suspensions- und Werkstoffentwicklungen für die Formgebung keramischer Werkstoffe und intermetallischer Verbindungen, beispielsweise im Bereich der Mikrosystemtechnik, zukünftig zu nutzen. Ein zukünftiger Entwicklungsschritt sollte der auf keramische Suspensionen abgestimmte Aufbau eines Drucksystems mit mehreren Druckköpfen sein, damit mehrere Werkstoffe in einem Prozessschritt gedruckt werden können. Hier müssen weitere Entwicklungen zu schnelleren und automatisierten Verfahren führen. Ein Anwendungsbereich könnte dann bei der Erzeugung von LTCC- oder HTCC-Komponenten liegen. Der Einsatz der Drucktechnologie als Mehrlagentechnik konnte im Rahmen des Projekts gezeigt werden. Zukünftig könnten daher derzeit kommerziell genutzte Dickschichttechnologie durch das Druckverfahren ersetzt werden. Zudem eignet sich das Verfahren besonders auf dem Gebiet der Beschichtungsindustrie. Wie bei der Applizierung von MoSi2-basierten leitfähigen Schichten auf keramische Substrate gezeigt werden konnte, hat das direkte Tintenstrahldruckverfahren aufgrund des schnellen und flexiblen Schichtauftrags von geometrisch komplizierten Strukturen große wirtschaftliche Vorteile gegenüber Siebdruck, subtraktiven Technologien oder aufwändigen Ätzverfahren. Der Vergleich mit kommerziellen Herstellungsverfahren wie dem Trockenpressen oder dem Schlickerguss mit seinen Verfahrensvarianten zeigt, dass die strukturellen und mechanischen Eigenschaften der mittels direktem Tintenstrahldruck aufgebauten Körper vergleichbar sind. Einziger Kritikpunkt ist die geringe Prozesszuverlässigkeit, die sich in geringen Weibullmoduli äußert. Zukünftige Entwicklungen müssen zur Optimierung der Prozesszuverlässigkeit des direkten Tintenstrahldrucks führen. Im abgeschlossenen Projekt konnte die Machbarkeit des Aufbaus dichter Bauteile mittels direktem Tintenstrahldruckverfahren gezeigt werden. Erste Prototypen aus dem Bereich der Struktur- und Funktionskeramiken wurden bereits hergestellt. Auf dieser Grundlage lassen sich für mittels innovativer Drucktechniken hergestellte Bio-, Struktur- und Funktionskeramiken folgende Forschungsfelder und Anwendungsbeispiele nennen: - Medizintechnik: Dentale Anwendungen (z. B. Brücken, Verblendungen, Inlays und Kronen) sowie Knochenersatzwerkstoffe, Strukturen und Bauteile mit funktionalisierten Oberflächen, (z. B. Calziumphosphatkeramiken). - Maschinenbau: Alternative zur Herstellung von Kleinstserien und Mustern ohne teure Werkzeugherstellung oder von Bauteilen, die bislang nur mittels Spritzguss oder Pressformgebung gefertigt werden können (z. B. Düsen, Zahnräder, Cantilever, Mikropumpen). - Automobilbranche: (Gas)Sensoren, Heizstrukturen oder Bauteile mit aktiver Kühlung durch gezielte Strukturierung oder Kühlkanalintegration, individuelle Formgebung, Prototypenherstellung. - Elektro- und Sensortechnik: Miniaturisierung funktioneller Bauteile und Gruppen wie Mikrochips, Spulen, Leiterbahnen oder funktionelle Beschriftungen. - Energietechnik/ Chemische Verfahrenstechnik: Mikroreaktoren, Filter, Brennstoffzellen - 3D-Verbundwerkstoffe, deren unterschiedliche Werkstoffe gezielt, gerichtet und lokal begrenzt in x-, y- und z-Richtung maßgeschneidert aufgebracht werden können. - Gradientenwerkstoffe, die nicht nur aus Lagen, sondern aus durchgehenden Gradienten bestehen (z. B. Bremsen für kleinere Geräte). - Design (z. B. individuell geformte keramische Griffe für Möbel). Darüber hinaus besteht Forschungsbedarf hinsichtlich der Abläufe des Druckprozesses. Fragestellungen bezüglich des Tropfenbildungsprozess wurden im Rahmen der Untersuchungen aufgeworfen. So wurde die Ohnesorge-Zahl der Si3N4- und MoSi2-Suspensionen berechnet, die für beide Suspensionen in einem optimalen Bereich lag. Dennoch wurde die Ausbildung von Satellitentropfen im Druckprozess beobachtet. Hier sind genauere Untersuchungen beispielsweise zur Ausbildung von Satellitentropfen notwendig, um Rückschlüsse auf deren Entstehung (z. B. Suspensionseigenschaften, Druckparameter) schließen zu können.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • „Rheological properties of aqueous MoSi2- and Si3N4-suspensions tailormade for direct inkjet printing”, J. Am. Ceram. Soc., (2010)
    Cappi, B., Ebert, J., Telle, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1111/j.1551-2916.2010.04052.x)
  • „Direct inkjet printing of Si3N4: Characterization of ink, green bodies and microstructure”, J. Eur. Ceram. Soc., 28, (2008), 2625-2628
    Cappi, B., Özkol, E., Ebert, J., Telle, R.
  • „Tintenstrahldrucken als Multifunktionstechnologie – Herstellung von keramischen Mikrokomponenten“, Jahresmagazin Ingenieurwissenschaften, herausgegeben vom Institut für wissenschaftliche Veröffentlichungen (IWV), (2008), 44-46
    Ebert, J., Özkol, E., Cappi, B., Zeichner, A., Telle, R.
  • „Mikrostruktur gedruckter Si3N4-Bauteile“, 2009, Technische Keramische Werkstoffe, Losebl.-Ausg., Kriegesmann J (Hrsg.). Köln: Fachverlag Deutscher Wirtschaftsdienst, (2009), Kap. 3.4.2.6., 1-16
    Cappi, B., Özkol, E., Ebert, J., Telle, R.
  • „Charakterisierung nichtoxidischer Struktur- und Funktionskeramiken hergestellt mittels direktem Tintenstrahldruckverfahren“, Dissertation, RWTH Aachen, Shaker Verlag, Aachen, (2010)
    Cappi, B.
  • „Quality Analysis of Direct Inkjet Printed 3D Ceramic Structures”, 34th International Conference and Exposition on Advanced Ceramics and Composites, Daytona Beach, Florida, (2010)
    Ebert, J., Cappi, B., Telle, R.
  • „Relation of Microstructure and Mechanical Properties of Functional Non-Oxide Ceramics Produced by Direct Ink-Jet Printing”, 34th International Conference and Exposition on Advanced Ceramics and Composites, Daytona Beach, Florida, (2010)
    Cappi, B., Ebert, J., Telle, R.
 
 

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