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Revision, Kassation, Final Appeal – Letztinstanzliche Zivilverfahren zwischen Individualrechtsschutz und Rechtsfortbildung

Fachliche Zuordnung Privatrecht
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 530230571
 
Die Kontrolle richterlicher Entscheidungen durch eine übergeordnete Instanz ist als rechtsstaatliche Errungenschaft nahezu jedem Rechtssystem der Welt inhärent. Für eine institutionalisierte Gerichtsorganisation ist dabei wesensprägend, dass an deren pyramidaler Spitze ein oder mehrere Höchstgerichte thronen, die nicht nur zur letztverbindlichen Entscheidung über individuelle Rechtsstreitigkeiten, sondern auch zur Fortbildung des Rechts befugt und berufen sind. Diese historisch tief verwurzelte Funktionsbelegung bringt zugleich jedoch einen wesensimmanenten Widerspruch des Rechtsmittelverfahrens zum Vorschein: Zwar dient der Zivilprozess als Parteiverfahren vorrangig der Durchsetzung subjektiver Rechte und der Verwirklichung von Individualgerechtigkeit. Die Funktion eines Höchstgerichts ist indes (auch, überwiegend oder nahezu ausschließlich) an einem vom Individualrechtsstreit emanzipierten ‚öffentlichen‘ Interesse ausgerichtet, indem grundlegende Rechtsfragen geklärt, das Recht fortgebildet und die einheitliche Rechtsanwendung durch die Untergerichte gewährleistet wird. Obschon sich nahezu alle Justizsysteme in westlicher Rechtstradition mit dieser Dichotomie zwischen private and public purpose konfrontiert sehen, haben sich im romanischen, deutschen, englischen und US-amerikanischen Rechtskreis diametral entgegengesetzte Modelle zu dessen Auflösung entwickelt, die trotz gemeinsamer Wertvorstellungen seit Jahrzehnten jeder Rechtsvereinheitlichung zu trotzen scheinen. Der erste Teil der Arbeit widmet sich daher einer grundlagenorientierten Analyse zu den Zwecken des geltenden Revisionsverfahrens. Nach einer Untersuchung der historischen Entwicklungslinien im deutschen Rechtskreis wird den Rechtsmittelzwecken aus verfassungsrechtlicher, prozessrechtsdogmatischer und rechtstatsächlicher Perspektive nachgespürt und die Realisierung der Rechtsmittelzwecke de lege lata analysiert. Im zweiten Teil schließt sich eine Untersuchung zu Stellung und Arbeitsweise des Revisionsgerichts an. Zum einen wird dabei die Stellung des BGH im deutschen und europäischen Justizsystem untersucht. Zum anderen werden die am Revisionsverfahren beteiligten Akteure und ihre funktionale Bedeutung bei der Rechtsfindung erörtert, ehe auf den Stil und die Veröffentlichungspraxis höchstrichterlicher Entscheidungen eingegangen wird. Der dritte Teil der Untersuchung vertieft die Revisionszwecke im Rechtsvergleich. Dabei wird die Funktionalität des Revisionsverfahrens dem französischen Kassations-, dem englischen appeal- und dem US-amerikanischen certiorari-Modell gegenübergestellt und Funktionskonvergenzen vergleichend herausgearbeitet. Zuletzt wird auf die derzeitigen Herausforderungen des Rechtsmittelsystems eingegangen, insbesondere auf die Stärkung der Rechtsfortbildungsfunktion des Höchstgerichts aus rechtsvergleichender Perspektive sowie auf Modelle zur Verfahrenseffektivierung letztinstanzlicher Zivilverfahren.
DFG-Verfahren Publikationsbeihilfen
 
 

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