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Pass pro toto. Amtliche und poetische Narrative der Person
Antragstellerin
Professorin Dr. Mona Körte
Fachliche Zuordnung
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 530288510
Das Projekt untersucht den Pass als amtliches Dokument zur Identifizierung einer Person in Konkurrenz zu und Korrespondenz mit poetischen Erzählweisen der Person. Das medienkulturwissenschaftlich informierte, literaturwissenschaftliche Erkenntnisinteresse richtet sich auf den Pass als behördliches Artefakt und amtliche Minimalerzählung der Person und analysiert die Wechselbeziehungen zwischen administrativen Identitätsfestlegungen und poetischen Verortungen der Person in kleinen und großen Formen der Prosa. Hierfür konzentriert sich das Projekt mit der Klassischen Moderne, der Literatur um die Wende 1989 und der Gegenwartsliteratur auf drei Phasen der Literaturgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts: Vor dem Hintergrund widerstreitender und kooperierender, ästhetischer und amtlicher Gattungsprätentionen der Klassischen Moderne und der Literatur um 1989 (Teilstudie 1) sowie der Gegenwartsliteratur (Teilstudie 2) werden gängige Topoi wie bürokratischer Sprachvollzug, unpassierbare Grenzen und misslingende Identifizierungsleistungen durch Menschen und Apparaturen analysiert, um die spezifischen Funktionen des Passes auszuleuchten. Historisch und systematisch greift das Projekt auf die etymologischen und medientechnischen Voraussetzungen des Passes zurück: Der Begriff Pass/Passport entwickelt sich aus dem lateinischen Verb „passare“, das in der Bedeutung von „vorbei“-, „hindurchgehen“ oder „passieren“ Modalitäten von Bewegung anzeigt. In der Nominalisierung von passare zu Pass drückt sich eine semantische Verschiebung aus, die nicht mehr nur Bewegung, sondern die Verwaltung von Bewegung anzeigt. Der Pass steht seitdem für die Erlaubnis, durchzuziehen oder auch für den Ausweis, der die Reise ermöglicht, und wird je nach Zeit und Region durch unterschiedliche Autoritäten geregelt. Von großem symbolischem Gewicht wird der Pass, weil er den ‚ganzen‘ Menschen auf wenige Daten reduziert. In dieser Funktion als pars pro toto des Menschen, ermöglicht er im 19. Jahrhundert im Zuge technischer Neuerungen die Adressierung und Verarbeitung personenbezogener Daten. Seit Beginn des Ersten Weltkriegs steht mit dem obligatorischen Passbild seine Ausweisfunktion im Vordergrund. Der innovative Ansatz, den Pass als amtliches Dokument zur Identifizierung einer Person auf seine poetischen Implikationen hin zu untersuchen, äußert sich bereits im Projekttitel. Denn der gewählte Neologismus „pass pro toto“ irritiert die rhetorische Relation zwischen amtlichem Ausweis und Person und unterstreicht den kompositorischen Aspekt der administrativen wie auch der poetischen Anlage und Wahrnehmungsweise der Person. Um diese Relation zu untersuchen, bezieht das Vorhaben heterogene Felder wie Medien- und Kulturgeschichte, Kriminalistik und Wissensgeschichte Kleiner Formen produktiv aufeinander und analysiert den Pass als Proto-Narrativ, als beziehungsreiches Datenensemble und als poetisches Gerüst.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen