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Traumabewältigung bei Chromosomen – Können zuvor fehlsegregierte Chromosomen durch verzögerte Replikation und reduzierte Transkription vor Chromothripsis geschützt werden?

Antragsteller Dr. Karl-Uwe Reusswig
Fachliche Zuordnung Zellbiologie
Allgemeine Genetik und funktionelle Genomforschung
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 530433556
 
Krebsgenome unterscheiden sich dramatisch von normalen diploiden Genomen, nicht nur durch Mutationen, sondern auch durch strukturelle Veränderungen wie z.B. komplexe chromosomale Translokationen oder Änderungen in der Kopienzahl bestimmter Sequenzen. Interessanterweise beschränken sich Translokationen häufig auf einzelne Chromosomen und werden durch Chromothripsis erzeugt, ein Mutationsprozess, bei dem ein Chromosom aus seinen randomisierten Fragmenten neu zusammengesetzt wird. Frühere Studien konnten den Mechanismus aufklären, der Chromothripsis zugrunde liegt: Ein Fehler während der Mitose führt dazu, dass ein Chromosom (oder Fragment hiervon) in einen Mikronukleus eingeschlossen wird, der dieses vom restlichen Genom physisch isoliert und in dem normalen Prozesse wie Transkription und Replikation aufgrund eines Kernimportdefekts beeinträchtigt sind. Die Hülle des Mikronukleus ist weniger stabil als die des primären Zellkerns und reißt spontan, was das vorher isolierte Chromosom gegenüber dem Zytoplasma exponiert und zu DNA-Schäden führen kann. Vor Kurzem hat unser Labor gezeigt, dass die vorübergehende Isolierung eines Chromosoms in einem Mikronukleus die Funktion dieses Chromosoms im nächsten Zellzyklus beeinflussen kann. Nach Wiedereingliederung in den Zellkern bildet ein solches Chromosom eine bisher uncharakterisierte Struktur innerhalb des Zellkerns, die wir als "micronuclear body" (MN-Körper) bezeichnen. Charakteristika dieser MN-Körper sind reduzierte Transkription und DNA-Schäden, die über einen langen Zeitraum detektiert werden können. Meine Vorarbeiten zeigen, dass Replikation in MN-Körpern deutlich verzögert beginnt. Die funktionellen Folgen dieser Veränderungen und ihre Auswirkungen auf Chromothripsis sind derzeit jedoch unklar und die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen müssen noch aufgeklärt werden. Interessanterweise weisen MN-Körper noch unvollständig untersuchte Ähnlichkeiten mit 53BP1-Kernkörpern auf, die sich an unvollständig replizierten Chromosomenabschnitten nach der Zellteilung bilden. Ich stelle die Hypothese auf, dass MN-Körper einen Versuch darstellen, zuvor fehlverteilte Chromosomen vor Chromothripsis zu schützen. Mein Projekt zielt darauf ab, zu verstehen, wie reduzierte Transkription und verzögerte Replikation zu dieser Funktion von MN-Körpern beitragen und dadurch das beobachtete Chromothripsis-Muster modulieren. Im Gegensatz zur Situation in 53BP1-Kernkörpern könnte die große Anzahl von DNA-Schäden in MN-Körpern die Reparatur allerdings auch behindern bzw. überfordern und letztlich dazu führen, dass diese nicht korrekt abgeschlossen werden kann. Durch eine sorgfältige Charakterisierung von MN-Körpern werde ich deren Ähnlichkeiten und Unterschiede zu 53BP1-Kernkörpern bestimmen. Insgesamt wird dieses Projekt zeigen, wie MN-Körper und möglicherweise auch 53BP1-Kernkörper Chromothripsis und die Evolution von Krebsgenomen beeinflussen.
DFG-Verfahren WBP Stipendium
Internationaler Bezug USA
 
 

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