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Ein neuer Fiskalvertrag. Steuern, Inflation und Politik in Italien (ca. 1960-1990)
Antragsteller
Professor Dr. Alexander Nützenadel
Fachliche Zuordnung
Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung seit 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 531885424
Im 20. Jahrhundert kam es in den meisten Ländern zu einer Expansion und Ausdifferenzierung des Steuersystems. Die historische Forschung hat zur Erklärung dieser Entwicklung auf die Effekte der beiden Weltkriege hingewiesen, sich empirisch jedoch vor allem auf die USA und Großbritannien konzentriert. Für viele andere Länder und insbesondere Südeuropa ist der Zusammenhang von Krieg und Steuerentwicklung nicht belegbar. In Italien kam es erst in den 1970er Jahren zur Einführung einer umfassenden und progressiven Einkommenssteuer, welche die fiskalischen Spielräume des Staates erheblich erweiterte. Zwischen 1973 und 1983 stiegen die italienischen Steuereinnahmen von 23 auf 34 Prozent des BIP. Das geplante Projekt untersucht den Aufstieg des modernen Steuerstaates in Italien mit einem polit-ökonomischen Ansatz. Wir argumentieren, dass es zu einem neuen „Fiskalvertrag“ kam, der das Ergebnis politischer Verhandlungsmacht verschiedener Parteien, Interessengruppen und Experten war. Unser Forschungsprojekt berücksichtigt sowohl qualitative als auch quantitative Methoden. Zunächst untersuchen wir anhand eines wissensgeschichtlichen Ansatzes die Verbreitung neuer Steuerideen zur Einkommensbesteuerung Italien in den 1960er Jahren. Welche Akteure setzten sich für die Einführung einer neuen Form der Besteuerung ein? Wie wurde das Modell an den italienischen Kontext angepasst? Zweitens untersuchen wir anhand von Steuerdaten auf Provinzebene die quantitative Seite der Steuerreform. Wer zahlte für die Reform? Wer profitierte davon? Drittens kombinieren wir auf Grundlage qualitativer Archivdaten die Ergebnisse aus Teil 1 und Teil 2, um die politischen Faktoren des neuen Steuervertrags zu analysieren. Der neue Fiskalvertrag, so unser Argument, war ein wichtiger Faktor, um in einer Zeit zunehmender sozialer und wirtschaftlicher Instabilität ein politisches Gleichgewicht zu erreichen. Die Kombination aus hoher Besteuerung von Arbeitseinkommen und klientelorientierten Sozialausgaben wurde von der über Jahrzehnte regierenden Christdemokratischen Partei gezielt zum Machterhalt eingesetzt. Dieses polit-ökonomischen Modell ist nicht nur für Italien aufschlussreich, sondern kann auch dazu beitragen, die Steuerentwicklung in anderen südeuropäischen Ländern zu erklären, welche ihr Steuersystem seit den 1970er Jahren ebenfalls umfassend reformiert haben (z.B. Spanien, Portugal).
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Großbritannien
Mitverantwortliche
Privatdozent Dr. Felix Römer; Professor Dr. Nikolaus Wolf