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Ungarn als Zufluchtsort und Wirkungsstätte deutschsprachiger Emigranten (1933-1938/39)

Antragsteller Dr. René Geoffroy
Mitantragsteller Professor Dr. Erwin Rotermund (†)
Fachliche Zuordnung Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Förderung Förderung von 2001 bis 2002
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5324310
 
"Es sei doch so ein Überfluß an Emigranten in den westlichen Ländern", schrieb Rudolf Olden 1934 an Lajos von Hatvany, daß man Ungarn "einen Anteil gönnen sollte". Ungarn bekam diesen Anteil. Sehr zum Mißfallen maßgeblicher Kreise und entgegen allen regierungsamtlichen Bekundungen und restriktiven ministeriellen Empfehlungen. Dies mag verwundern, war Horthys Ungarn doch alles andere als ein demokratischer Staat. Auch für die Exilforschung war Ungarn als Zufluchtsort bislang kein Thema. Sprachliche Hürden mögen hier eine Rolle gespielt haben, aber auch der Umstand, daß sich in der Exilforschung über Jahrzehnte hinweg - ein wenig überspitzt formuliert - so etwas wie ein unverrückbares Bild des typischen Hitlerflüchtlings und des typischen (klassischen) Exillandes, in das dieser zu flüchten hatte, verfestigt hatte. Für undemokratische bis faschistische Länder war da kaum mehr Platz. Man würde dem Phänomen jener Flüchtlinge, die glaubten, gerade bei Horthy Schutz vor Hitler finden zu können, jedoch keineswegs gerecht werden, nähme man an, daß es sich bei ihnen vorwiegend um apolitische oder äußerst konservativ bis faschistoid eingestellte Personen handelte. Viel zu komplex waren im Einzelnen die Entscheidungsgründe und viel zu zwingend die historischen Situationen, die eine Flucht gerade in diese Länder bedingten. Jene, die durch die Ausdehnung des Machtbereich des Dritten Reichs in ihrer Existenz bedroht waren, blieb vielfach gar keine Zeit, um sich den Luxus eines langen Sinnierens über die Staatsform des Nachbarlandes und das Für und Wider einer Flucht dorthin zu erlauben. Ihr Bestreben war es einzig und allein, auf dem schnellsten und möglichst kürzesten Wege - legal oder illegal - irgendeine Grenze zu überwinden, um dann in einem hitlerfreien Raum erst einmal wieder frei aufatmen zu können. Trotz seiner Kollaboration mit dem Dritten Reich, trotz seiner "Judengesetze" und seiner berüchtigten Fremdenpolizei blieb Ungarn bis zur Machtergreifung der Pfeilkreuzler im Jahre 1944, wenn schon nicht ein Hort der Glückseligkeit so doch - zumindest aus den Nachbarstaaten heraus betrachtet - für viele Naziverfolgte eine verhältnismäßig ruhige Insel in Europa. Man flüchtete hierhin, nicht etwa weil Ungarn so anziehend gewesen wäre, sondern weil seine Nachbarstaaten durch die Nazis noch abstoßender geworden waren.
DFG-Verfahren Publikationsbeihilfen
 
 

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