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Das lange Leben der Avantgarde: eine (Avantgarde-)Theorie-Geschichte
Antragsteller
Professor Dr. Wolfgang Asholt
Fachliche Zuordnung
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung
Förderung seit 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 532480433
Das Avantgarde-Paradigma ist für Kunst und Literatur des 20. Jahrhunderts fundamental. Dennoch gibt es seit Peter Bürgers Theorie der Avantgarde (1974) und Paul Manns Theory-Death of the Avant-Garde (1991) keine neuere Untersuchung der Avantgarde-Theorie, ihrer Entwicklung in historischen wie aktuellen Konstellationen und Artikulationen. Da die Avantgarde trotz ihres angeblichen „Scheiterns“ und „Theorie-Todes“ weiterlebt, wird ihre Theorie-Geschichte von den historischen Avantgarden bis zum KunstAktivismus der aktuellen „zweiten Avantgarde“ mit Blick auf Konzeptualisierungen des Imaginären und einen spezifischen Habitus analysiert, auch um die anhaltende Attraktivität des Avantgarde-Konzeptes diskutieren zu können. Diese Untersuchung zeichnet sich durch mehrere innovative Ansätze aus: - Erstmals wird das Verhältnis zwischen politisch-sozialer und literarisch-künstlerischer Avantgarde umfassend berücksichtigt. - Dementsprechend spielt der kulturelle und gesellschaftliche Kontext der jeweiligen Avantgarde-Bewegungen und ihrer Konzeptionen eine wichtige Rolle, also im Falle der historischen Avantgarden: Nationalismus (ital. Futurismus), Exil (Dada), Revolution (Futuristen/ Konstruktivisten), europäische Netzwerke und Institutionalisierung (Bauhaus), Psychoanalyse (Surrealismus). - Erstmals wird mit der „Zweiten Avantgarde“ neben den historischen und Neo-Avantgarden ein Konzept eingeführt, das sowohl den aktuellen medialen und technischen Veränderungen als auch dem künstlerisch-sozialen Phänomen des KunstAktivismus angemessen Rechnung trägt. - Dem Übergang des Zentrums von Paris nach New York wird besonders Rechnung getragen: in der ersten Jahrhunderthälfte dominiert die Literatur, seit den US-Neo-Avantgarden die bildende Kunst, woraus eine gesteigerte Bedeutung der Institutionen und des Marktes resultiert. - Eine einheitliche Avantgarde-Theorie wird zunehmend (auch wegen des Formverbrauchsdrucks) von einer Dynamik der Konzepte abgelöst, wobei zwischen historisch-sozialen (Bürger, Bourdieu) systemtheoretischen (Luhmann), neo-avantgardistischen (poststrukturalistische und postmoderne Originalitätsdekonstruktion, Nachträglichkeit) und solchen der Zweiten Avantgarde (KunstAktivismus, „Idee der Avantgarde“) unterschieden werden kann. - Als gemeinsamer Nenner für diese konzeptionelle Dynamik wird hier Castoriadis’ Vorstellung eines ‚radikalen Imaginären’ i.S. einer Ontologie der Heterogenität vorgeschlagen Im “Nachwort“, What is an avant-garde now?, wird, ausgehend von der Vorstellung des Theorie-Todes der Avantgarde, ihres Weiterlebens als Gespenst sowie einer überzeitlichen Idee der Avantgarde gefragt, ob in den Debatten um den polyzentrischen globalen und postkolonialen Raum einer kunstaktivistischen Avantgarde, das Projekt Avantgarde noch eine Rolle spielt, dessen Fragen an Literatur und Kunst (noch) keine Antwort erhalten haben und sie deshalb immer wieder herausfordern (können).
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen