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Kontinuität und Wandel der militärischen Elite in Bayern zur Zeit des Deutschen Bundes. Eine Studie zur sozialen Rekrutierung, zur militärischen Sozialisation und zum gesellschaftlichen Selbstbild des Offizierkorps

Subject Area Modern and Contemporary History
Term from 2001 to 2009
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 5329202
 
Final Report Year 2008

Final Report Abstract

Gegenstand des Forschungsprojektes war die Entwicklung der sozialen Zusammensetzung des bayerischen Offizierskorps zur Zeit des Deutschen Bundes und der Position, die die Offiziere in der bayerischen Gesellschaft ausfüllten. Die Studie legte soziale Rekrutierungs- und Karrieremuster sowie die militärischen Prägungen der Offiziere in Bezug auf ihren sozialen Status offen und zeigte das Sozialprestige, die innere Kohärenz und das gesellschaftliche Selbstverständnis des bayerischen Offizierskorps über den Untersuchungszeitraum von sechs Jahrzehnten auf. Die Auswertungen der Ranglisten und Personalakten der militärischen Elite in Bayern stellten erstmalig für den Zeitraum 1815-1866 eine geeignete repräsentative Datenbasis bereit. Sie machten den personellen Bruch deutlich, den der Russlandfeldzug von 1812 verursacht hatte, stellten das eigenständige Sozialprofil des bayerischen Offizierskorps heraus, modifizierten aber auch verschiedene Thesen der bisherigen Forschung. Dies betrifft zum Beispiel die These von der hohen Bedeutung der Bildung, die das bayerische Offizierskorps auch schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegenüber dem preußischen ausgezeichnet hätte. Das Gleiche gilt für die These eines kontinuierlichen Verbürgerlichungsprozesses im bayerischen Offizierskorps, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgrund des relativ geringen Prestiges des Militärdienstes in der stark liberal-demokratisch geprägten Öffentlichkeit ausgelöst worden sei. Stattdessen brachte die Analyse zutage, dass die vorhandenen Spielräume gezielt genützt wurden, um soziale Auswahlkriterien anzuwenden. Nach dem Friedensschluss erhöhte sich im Vormärz der Adelsanteil kontinuierlich. Nur die Notwendigkeit der geballten Rekrutierung in den Krisenjahren 1848/49, 1859 und 1866 ließ den Bürgerlichenanteil erneut ansteigen. Zudem wurde ersichtlich, dass der soziale Homogenisierungsprozess zur Zurückdrängung der Offiziere aus mittleren und niederen sozialen Schichten, der für die Zeit des Kaiserreichs festgestellt wurde, nicht wie bisher angenommen erst nach der Heeresreform von 1868 in Gang kam, sondern seit dem Vormärz nachweisbar ist. Die Analyse hat insgesamt die hohe Wirksamkeit von ökonomischen Zwängen und außermilitärischen Anforderungen deutlich gemacht, die prägend auf die Entwicklung des bayerischen Offizierskorps als sozialer Gruppe einwirkten. Die Armeeführung war in ihrem Bestreben, die Leistungsfähigkeit der Armee trotz der desolaten Finanzlage des bayerischen Staates zu bewahren, in hohem Maße bereit, auf zivile soziale Vorgaben einzugehen. Offiziere wurden nur in Ansätzen einem geistigen Homogenisierungsprozess unterzogen und soziale Exklusivität wurde nicht propagiert. Über den gesamten Zeitraum wurde die Entwicklung eines einheitlichen Sozialprestiges und eines berufsständischen Bewusstseins durch die nur begrenzte Wirksamkeit des Anciennitätsprinzips, die offensichtliche soziale Selektion und die vermittelten Normen und Werte behindert. Hinzu kam, dass dem bayerischen Offizierskorps die adelige Dominanz fehlte, die das preußische Offizierskorps in zunehmendem Maße charakterisierte. Auch das Bildungsniveau war heterogener und die Grenze zwischen Offiziers- und Unteroffizierskorps war viel durchlässiger. So lässt sich für die Zeit des Deutschen Bundes zwar das bayerische Offizierskorps aufgrund seiner Funktion in der militärischen Organisation als Ausbilder und Führer des königlichen Heeres als Funktionselite charakterisieren, doch ist die innere Kohärenz dieser Gruppe, ihre soziale und politische Eigenständigkeit und gesamtgesellschaftliche Prägekraft als gering zu veranschlagen. Erst die Heeresreform nach preußischem Vorbild, die 1868 eingeleitet wurde, führte nachfolgend zu einem in Bayern bisher ungekannten Maß an Erziehung und Assimilierung der Offiziere und zu einer zunehmenden Angleichung an die Verhältnisse im preußischen Offizierskorps.

Publications

  • Soziale Rekrutierung, militärische Sozialisation und gesellschaftliches Selbstbild des bayerischen Offizierkorps (1804-1866). In: newsletter des Arbeitskreises Militärgeschichte e.V. Nr. 16 (Januar 2002), S, 18-21
    Gundula Gahlen
 
 

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