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Unordnung und Topologie: Anderson-Übergänge
Antragsteller
Professor Dr. Martin R. Zirnbauer
Fachliche Zuordnung
Theoretische Physik der kondensierten Materie
Förderung
Förderung seit 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 533158952
Das kritische Verhalten am Anderson-Übergang (d.h. dem Quanten-Phasenübergang zwischen lokalisierten und delokalisierten Energie-Eigenzuständen für ungeordnete Elektronen) wird traditionell durch eine Einparameter-Skalenhypothese beschrieben. Nach ihrer Einführung in einer einflussreichen Arbeit von Abrahams et al. wurde diese Hypothese durch feldtheoretische Rechnungen im Regime schwacher Kopplung (de facto in der Nähe der unteren kritischen Dimension d=2) für das nichtlineare Sigma-Modell von Wegner und Efetov eindrucksvoll bestätigt. Somit ist der Anderson-Übergang im Schwachkopplungsregime wenig oberhalb von d=2 unter guter analytischer Kontrolle. Derzeit wächst aber die Evidenz, dass in hoher Dimension und allgemeiner in Situationen mit starker Kopplung (d.h. für einen kritischen Leitwert von der Ordnung des Leitwertquantums) das traditionelle Bild modifiziert werden muss. Die sich abzeichnende Modifikation ist frappierend: unter Aufgabe des Einparameter-Skalenbildes argumentierten Altshuler, Kravtsov und Mitarbeiter (und abhängig davon der Autor), dass eine dritte stabile Phase existieren sollte, die von den zwei bekannten Phasen (nämlich Metall und Anderson-Isolator) verschieden ist. In einer neuen Arbeit haben wir zudem herausgestellt, dass die dritte Phase durch drei charakteristische und miteinander zusammenhängende Merkmale ausgezeichnet wird: (i) fraktale Energie-Eigenzustände und (ii) singulär kontinuierliches Energiespektrum (für den Hamiltonoperator der ungeordneten Elektronen in unendlichem Volumen) und, im Sinne der Landau-Theorie von Phasenübergängen, durch (iii) ein neuartiges Szenario von partieller Symmetriebrechung in der feldtheoretischen Formulierung. Die übergeordnete Zielsetzung des vorliegenden Projekts ist es, einen gangbaren feldtheoretischen Zugang zu entwickeln, welcher es gestattet, Anderson-Übergänge bei starker Kopplung (und verwandte Problemstellungen) in kontrollierter Weise zu behandeln. Unsere konkreten Nahziele lauten wie folgt: (i) Ableitung einer Zweiparameter-Feldtheorie (in der Nachfolge des nichtlinearen Sigma-Modells) für Anderson-Übergänge in hoher Dimension; (ii) Entwicklung einer vollständigen Skalentheorie (inklusive relevante und irrelevante Störungen) für den Plateau-Übergang in ganzzahligen Quanten-Hallsystemen; (iii) Formulierung einer konformen Feldtheorie für den Spin-Quanten-Hallübergang (alias Klasse C); (iv) Erklärung der Quantenkritikalität von Oberflächenzuständen, für die im Fall von topologischen Isolatoren der Symmetrieklasse AIII vorhergesagt wurde, dass sie die gesamte Energielücke überdeckt. Als Fernziel stellen wir uns die Aufgabe, die analytische Theorie zu genügender Reife zu entwickeln, damit alle existierenden Rätsel und Streitfragen (wie „Verletzen Anderson-Übergänge das Prinzip der konformen Symmetrie?“, „Was ist der korrekte Ansatz für die Zweiparameter-Skalenhypothese im Fall von Baumgraphen?“, usw.) durch weiterführende numerische Rechnungen aufgelöst werden können.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen