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Ausbreitungsökologie und Wirtsfindung fledermausverbreiteter Blütenmilben der Palme Calyptrogyne ghiesbreghtiana

Fachliche Zuordnung Ökologie und Biodiversität der Tiere und Ökosysteme, Organismische Interaktionen
Förderung Förderung von 2007 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 53387491
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Tieflandregenwald von Costa Rica wächst die Palme Calyptrogyne ghiesbreghtiana, deren 1,5 – 2,5 m hohen Blütenstände das Zentrum hochkomplexer Interaktionen zwischen Tieren und Pflanzen sind. An einer Infloreszenz erscheinen zunächst über fünf Tage hinweg ausschließlich männliche Blüten, gefolgt von einer dreitägigen Blühpause und schließlich endet die Blütezeit mit einer zweitägigen Phase in der nur weibliche Blüten gebildet werden. Hauptbestäuber sind frugivore Fledermäuse, die fruchtähnlich ausgebildete Blütenteile abreissen und verzehren. Auf diesen Infloreszenzen finden sich auch winzige Milben, die Pollen und Pflanzensaft konsumieren und nur auf dieser einen Palmenart vorkommen. Calyptrogyne ghiesbreghtiana zeigt im September einen deutlichen Blühhöhepunkt, es sind aber ganzjährig einzelne blühende Infloreszenzen zu finden, und so können die Milben mit dieser einen Wirtspflanze überleben. Um gegen Ende der Blüte einer Infloreszenz wieder zu einer frischen zu gelangen, nutzen die flügellosen Milben Blütenbesucher wie Fledermäuse, Käfer und Bienen auf denen sie phoretisch als blinde Passagiere reisen. Das gesamte Leben der Milben hängt von der Blühphänologie der Palminfloreszenzen ab. Unmittelbar nach dem Öffnen der ersten männlichen Blüten erscheinen mit den ersten Blütenbesuchern auch die Milben und beginnen sich zu reproduzieren. Bis zur Mitte der Blütedauer der Infloreszenz baut sich kontinuierlich die Population auf, aber sobald die weiblichen Blüten erscheinen, sinkt die Population der Milben bereits wieder, da sowohl die adulten Tiere wie auch ihre Nachkommen nun zunehmend mit den nun noch häufigen Blütenbesuchern abreisen. Dabei ist genaues Timing essentiell: reisen die Tiere zu früh ab, nutzen sie die Infloreszenz nicht effizient aus, warten sie aber zu lange, erreichen sie eventuell nicht mehr einen der nun nur noch selten kommenden Bestäuber, bleiben daher auf der welkenden Infloreszenz gefangen und gehen zugrunde. Wegen der relativ kurzen Blütedauer sind die Tiere gezwungen sich schnell zu reproduzieren und möglichst rasch zu einer neuen Heimat auf einer frischen Infloreszenz zu gelangen. Dies stellt die Tiere vor die Herausforderung möglichst schnell auf zuverlässige Transporteure aufzusteigen und auch frische Wirtsinfloreszenzen sicher zu erkennen und dort wieder abzusteigen. Die kurze Blühdauer einer Infloreszenz zwingt die Milben zu großer Flexibilität bei der Transportwirtwahl. Wie wir durch Videoüberwachung feststellen konnten, waren regelmäßige Besucher auf den Infloreszenzen von C. ghiesbreghtiana verschiedene Fledermausarten, Mausopossums, Rüsselkäfer, Blatthornkäfer, Heuschrecken, sowie stachellose Bienen. Bei der Wahl ihrer Transportwirte waren die Milben flexibel, jedoch nicht wahllos; auf den Heuschrecken fanden wir etwa niemals Milben. Wir konnten zeigen, dass die Milben geeignete Transporteure über den Duft erkannten und auch ungeeignete auf diese Weise vermieden. Während der Duft von Fledermäusen, Käfern und stachellosen Bienen die Milben anzog, vermieden sie den Duft der Heuschrecken, was mit der geringen Mobilität dieser Tiere und damit verbunden den geringen gebotenen Ausbreitungschancen zusammenhängen kann. Frische Wirtspflanzen wurden ebenfalls über den Duft erkannt, wobei für eine zuverlässige Erkennung der geeigneten männlichen Infloreszenzen sowohl leicht- wie auch schwererflüchtige Substanzen notwendig waren, eventuell ergänzt durch taktile Reize. Zusammenfassend demonstriert die Interaktion zwischen den Milben, den Palmen und den Blütenbesuchern ein Metapopulations-System in dem die Milben obligatorisch von einem nur kurzfristig verfügbaren Habitatpatch zum nächsten reisen müssen und sich in Reproduktionsbiologie, Sinnesökologie und Abwanderungsstrategien an diese Extremsituation angepasst haben.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2009). Colonization, dispersal and extinction: the hard life of bat phoretic flower mites. Joint Meeting of Association for Tropical Biology and Conservation (ATBC) & Society for Tropical Ecology (gtö), Marburg. July 27-30, 2009
    Sperr EB & Tschapka M
  • (2009). Per Anhalter durch den Regenwald. German Bat Research Conference. Frauenchiemsee. January 22-24, 2009
    Sperr EB & Tschapka M
  • (2009). The Mexican mouse opossum (Marmosa mexicana) as a flower visitor at a neotropical palm. Mammalian Biology 74: 76-80
    Sperr E.B., Fronhofer, E.A. & Tschapka, M.
  • (2012). Host plant and vector recognition in a phoretic flower mite. Jahrestagung der Gesellschaft für Ökologie (GfÖ), September 10-14, 2012
    Fronhofer EA, Sperr EB, Poethke HJ & Tschapka M
 
 

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