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Aufmerksamkeit in der Moderne: der Fall Andrej Belyj

Fachliche Zuordnung Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 534697072
 
Aufmerksamkeit, die seit dem 18. Jahrhundert als zentrale geistige Fähigkeit erforscht wurde, avancierte in den nächsten hundert Jahren zu einem zentralen Problem der Psychologie und hatte zugleich einen erheblichen Einfluss auf die Kunst und Literatur der Moderne hatte. Mein Projekt befasst sich mit einem der prominentesten Vertreter der russischen Moderne, Andrej Belyj (1880–1934), für den Aufmerksamkeit ein Gegenstand intensiver Reflexion war und zudem seine ästhetischen Ansichten und literarischen Werke prägte. Ich werde seine Ideen im Kontext eines allgemeinen Interesses für die Psychologie der Aufmerksamkeit untersuchen, das für die Moderne typisch war, und zeigen, wie Belyj Aufmerksamkeit in seine Wahrnehmung der zeitgenössischen Kultur integrierte. Beginnend mit einem Überblick über das Thema Aufmerksamkeit in der Moderne werde ich mich seiner frühen intellektuellen Biographie zuwenden. Schon früh war sein Denken von der privilegierten Stellung der Psychologie unter den Wissenschaften an der Wende zum 20. Jahrhundert geprägt. Welchen Effekt hatten psychologische und philosophische Ideen „freiwilliger Aufmerksamkeit“ auf seine ästhetischen und politischen Ansichten? Abschließend wird untersucht, ob Belyjs Roman „Petersburg“ (1913–1914) Spuren seiner Beschäftigung mit dem Problem der Aufmerksamkeit aufweist, speziell in Bezug auf Belyjs Antisemitismus. Dabei sind nicht nur die Motive des Romans von einer Rassenideologie geprägt, sondern auch seine Poetik. Die extreme Komplexität von „Petersburg“ enthält, neben der ästhetischen Dimension, auch ideologische Implikationen, die mit der Verschmelzung zweier Diskurse zusammenhingen: dem der Degeneration und dem einer „arischen“ Renaissance. Während erstere die Juden als besonders anfällig für Entartung betrachteten und Unaufmerksamkeit in ihren Katalog degenerativer Merkmale einbezog, bot letztere das Bild einer „arischen“ Kultur als völliges Gegenteil der angeblich „semitischen“ Tendenz zur Vereinfachung und Abstraktion.
DFG-Verfahren WBP Stelle
 
 

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