Untersuchungen tropfenförmiger Fremdschichten auf elektrisch hochbelasteten polymeren Isolierstoffoberflächen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Isoliersysteme auf Basis organischer Werkstoffe unterliegen Alterungseinllüssen, die das Betriebsverhalten langfristig nachteilig beeinflussen können. Das gegenüber Porzellanisolierung günstigere Betriebsverhalten von Freiluftkunststoffisolatoren wird ganz wesentlich durch die Eigenschaft der Hydrophobie geprägt. Jedoch verschlechtert sich der Grad der Hydrophobie durch klimatische Einflüsse, mehr noch aber durch von den Tropfenrändern oder von Trockenzonen-Rändern ausgehende elektrische Teilentladungen. Diese können zum völligen Hydrophobieverlust und zur anschließenden chemisch-thermischen Schädigung der Isolierstoffoberfläche führen. Die Entstehung der Teilentladungen wird maßgeblich durch die Veränderung der Tropfenform unter dem Einfluss des elektrischen Feldes begünstigt. Die sich ändernde Tropfenbelagsstruktur beeinflusst weiterhin die elektrische Feldverteilung, so dass zur Optimierung von Isolatoren Feldberechnungen für den feuchten Isolator unter Berücksichtigung der beschriebenen Einflüsse unverzichtbar sind. Auch an reiner Innenraumisolierung zeigen sich ähnliche Phänomene. Hier bilden sich bei Betauung Feuchtebeläge von ganz anderer Struktur als unter Freiluftbedingungen aus (kleinere Tropfendurchmesser). Unter dem Einfluss des elektrischen Feldes verändert sich diese stark bis hin zur Bildung großflächiger Inseln mit geschlossenem Wasserfilm. Ausgehend von einem bereits vorhandenen Versuchsstand, in dem sich die Bewegung einzelner Flüssigkeitströpfchen unter dem Einfluss elektrischer Felder mit Hilfe einer Hochgeschwindigkeitskamera zweidimensional erfassen lässt, wird zunächst der Versuchsaufbau dahingehend erweitert, dass die Tropfenbewegung nun in allen drei Dimensionen aufgezeichnet werden kann. Dies gelingt durch Anordnung mehrerer Spiegel, ohne dass eine Änderung des Video-Aufzeichnungssystems erforderlich wird. Würde die Tropfenbewegung nicht dreidimensional erfasst, wäre ein späterer Abgleich mit den ebenfalls dreidimensional durchzuführenden Simulationsrechnungen nicht möglich. Das nächste Teilziel besteht in der messtechnischen Erfassung und theoretischen Berechnung der Teilentladungseinsatzspannung für eine gegebene Anordnung. Die Kenntnis dieses Wertes ist für die Bemessung der zulässigen Oberflächenfeldstärke auf polymeren Isoliersystemen von großer Bedeutung. Die in der Literatur üblicherweise getroffene Annahme kugel- oder halbkugelförmiger Tropfenformen führt jedoch zu wesentlich höheren theoretisch errechneten Einsatzspannungen als sie tatsächlich im Experiment gemessen werden. Zunächst wird dazu ein geeignetes Teilentladungseinsatzmessverfahren entwickelt. Denn das Standardverfahren, die PRPD-(phase resolved partial discharge)-Messung, erweist sich als zu unempfindlich. Zum Erfolg führt dagegen der Einsatz eines Photomultipliers, mit dessen Hilfe einzelne erste, mit den Teitentladungen einhergehende Leuchterscheinungen im ultravioletten Bereich erfasst werden können. Die so ermittelten Einsatzspannungen liegen zwischen 6% und 16% unter den elektrisch ermittelten Werten und decken sich nun sehr gut mit den theoretisch berechneten. Weiterhin durchgeführte Untersuchungen mit einer bildgebenden UV-empfindlichen Kamera bringen wertvolle Aufschlüsse zum Entstehungsort der Teilentladungen. Erwartungsgemäß bilden sich diese bei tangentialer Oberflächenfeldbeanspruchung an den in Richtung der Feldlinien liegenden Rändern der Tropfen unmittelbar an der Isolatoroberfläche, d.h. in den Tripelzonen aus, während sich gleichzeitig der Tropfen in dieser Richtung in die Länge zieht. Die Simulationen der elektrischen Feldbeanspruchung werden mit Hilfe der FIT-(Finite Integrationstechnik)-Software CST EM Studio™ durchgeführt. Untersucht werden kugel- und halbkugelförmige Tropfen, insbesondere jedoch auch solche mit modellierten Formen, die den experimentell mit Hilfe der Videokamera aufgezeichneten entsprechen. Während für halbkugelförmige Tropfen eine Feldverstärkung in den Tripelzonen um einen Faktor von etwa zwei berechnetet wird - dieser Wert deckt sich mit Literaturangaben - ergeben sich für die tatsächlich beobachteten Tropfenformen Werte von bis zu fünf. Dieses Ergebnis ist für die elektrische Auslegung von Isolatoren von besonderer Bedeutung, da es darauf hindeutet, dass für einen alterungsstabilen Betrieb die Tangentialfeldstärken auf polymeren Isolatoren möglicherweise viel niedriger gewählt werden müssen als derzeit üblich. Üblicherweise wird die Oberflächenfeldstärke auf einen Wert von maximal 1,5 kV/mm beschränkt, um lokale Feldstärkewerte von 3 kV/mm nicht zu überschreiten. Dieser Wert wäre auf einen Wert von nur 0,6 kV/mm zu korrigieren. Dies ist in weiteren Untersuchungen zu validieren. Die Verformung der Wassertropfen auf Isolatoroberflächen unter dem Einfluss des elektrischen Feldes hat, wie die durchgeführten Untersuchungen zeigen, sehr großen Einfluss auf das Teilentladungsverhalten der Isolatoren. Für ein optimales Langzeitverhalten wird eine Auslegung auf teilentladungsfreien Betrieb angestrebt. Wünschenswert ist es, die Verhältnisse simulieren zu können. Daraus ergeben sich folgende Ansätze für eine Weiterarbeit: Das Simulationsverfahren ist dahingehend zu erweitern, dass eine automatisierte Berechnung der auf den Tropfen wirkenden Feldkräfte erfolgt und eine Aussage darüber getroffen wird, ob und wo die Teilentladungs-Einsatzfeldstärke überschritten wird. Die berechneten Kräfte sind dann jeweils die Eingangsgrößen für eine Simulation der mechanischen Verformung der Tropfen unter Berücksichtigung von Randbedingungen wie Oberflächenspannung, -neigung, - rauhigkeit usw. Mit der sich einstellenden neuen Tropfengeometrie ergeben sich im nächsten Schritt neue Feldverhältnisse mit Auswirkungen auf die Kräfte und das Teilentladungsverhalten. Es wird so möglich sein, iterativ im Falle periodischer Feldbeanspruchung die stationäre Tropfenbewegung bzw. im Fall einer sprunghaften Feldveränderung den neuen sich einstellenden Zustand zu berechnen. Ziel weiterer Arbeiten sollte also die Modellierung und die Simulation des gesamten Vorgangs der Tropfenverformung sein. Es sollten verallgemeinernde Aussagen zu den Randbedingungen entwickelt werden, so dass beliebige Konfigurationen dargestellt werden können. Dies würde es Herstellern von Isolatoren zukünftig ermöglichen, neue Isoliersyteme ohne größeren experimentellen Aufwand bezüglich der maximal zulässigen elektrischen Feldbeanspruchung bewerten zu können. Insbesondere der Teil der hydrodynamischen Simulation erfordert eine Kooperation mit einem Experten auf diesem Gebiet.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Das Verhalten von elektrisch hoch beanspruchten Oberflächenisolierungen bei Prüflingen aus Epoxidharzformstoff. Technische Akademie Esslingen, 16.05.-18.05.2001
Keim, S.; König, D.
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Recent studies about single droplets on insulating surfaces stressed by an electrical field. APTADM 2001, Wroclaw, Poland, September 17-19, 2001, S. 92...9S
Keim, S.; König, D.
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The Dynamic Behaviour of Water Drops in an AC Field. Conference on Electrical Insulation and Dielectric Phenomena (CEIDP), Kitchener, Ontario, Canada, October 14-18, 2001, S. 613...616
Keim, S.; König, D.
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Optische Diagnostik an tropfenförmigen Fremdschichten auf polymeren Isolierstoffoberflächen im elektrischen Feld. ETG Fachtagung Diagnostik elektrischer Betriebsmittel, Berlin, 26./27.2.2002 ETG-Fachbericht 87, Diagnostik elektrischer Betriebsmittel, VDE Verlag, Berlin, Offenbach, 2002, S. U9...152
Keim, S.; König, D.
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Experimental investigations on electrohydrodynamic phenomena at single droplets on insulating surfaces. IEEE Conference on Electrical Insulation and Dielectric Phenomena (CEIDP) 2003, USA
Keim, S., König, D., Hinrichsen, V.
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Optical diagnostics of single water droplets on polymeric insulating surfaces in an electric field. 13th ISH 2003, Delft, 25.-29.8.2003
Keim, S., König, D., Hinrichsen, V.
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Optische Diagnose an singulären Tropfen auf polymeren Isolierstoffoberflächen im elektrischen Feld - Ein Beitrag zur Charakterisierung von Phänomenen bei der Einleitung von Alterungsvorgängen. Dissertation TU Darmstadt, 2003
Keim, S.
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Neuere Erkenntnisse über das Verhalten von elektrisch hochbeanspruchten Tropfen auf Isolierstoffoberflächen. ETG-Fachtagung, Hanau, 2005, S. 93-96
Wang Y., König D., Keim S., Reinhard M.
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Partial discharge processes at sessile water drops on a insulating surface. The XVI International Conference on Gas Discharges and their Applications, Xi'an, China, 11.-15.09.2006
Braunsberger, T., Iova S., Hinrichsen V., Kurrat, M.
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Experimental investigation and modelling of mechanical deformation and inception voltage ol water drops on insulating surfaces stressed by electrical field. 15th International Symposium on High Voltage Engineering (ISH 2007), Slovenia, Ljubljana 27.-31.08.2007
Feier-Iova S., Hinrichsen V.