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Das "klingende Wort" als Kunst, Wissen und Medium. Institutionelle Verflechtungen der Literaturforschung mit den Erforschungen der poetischen Performance in der frühen Sowjetunion

Fachliche Zuordnung Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Kunstgeschichte
Theater- und Medienwissenschaften
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 536072735
 
In diesem Forschungsprojekt wird die Wechselbeziehung zwischen künstlerischen Praktiken und Pionierforschung in den Bereichen Philologie, Linguistik und allgemeine Kunsttheorie untersucht. Es rückt insbesondere die Frage in den Vordergrund, wie die Literaturwissenschaft und die geisteswissenschaftlichen Methoden in der frühen Sowjetunion durch die performativen Aufführungspraktiken, die Verwendung neuer Medien wie Tonaufnahmen und den Phonozentrismus der russischen Kultur des frühen 20. Jahrhunderts im Allgemeinen verändert wurden. Das Projekt behandelt das Institut des lebendigen Wortes (1918-1924) in Petrograd und die Erforschungen der Poetik und Dichterrezitation von Boris Eikhenbaum, Vsevolod Vsevolodskii-Gerngross, Sergei Bernshtein u.a. im Zusammenhang mit den Aufführungspraktiken wie Autorenlesungen von Poesie und Prosa, Performances der Rezitatoren, avantgardistisches Theater und Tanz sowie mündlicher Vortrag der Folklore in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Das Ergebnis soll vergegenwärtigen, welchen Einfluss die performativen Künste auf den russischen Formalismus in der Schlüsselperiode seiner Entstehung (1918-1924) hatten. Die Nutzung der neuen Medien als Dokumentationsmittel ist einer der wichtigsten Untersuchungsgegenstände dieses Projekts, weil sie das Verständnis der performativen Künste zu der damaligen Zeit beeinflussten. Dieser Blickwinkel erlaubt nicht nur eine neue Sicht auf die Rolle der performativen Künste in der Geistesgeschichte Russlands und Europas, sondern führt vielmehr zu dem Kern der Erkenntnis über die Interdisziplinarität in den Geisteswissenschaften, die auch für die heutige Forschung von großer Bedeutung ist. Das Projekt ist in drei Phasen unterteilt, die sich auf verschiedene Aspekte konzentrieren: 1) Institutionelle Aspekte (d.h. das Institut des lebendigen Wortes als eine Einrichtung, die speziell zur Entwicklung eines neuen Wissens- und Kunstbereichs geschaffen wurde); 2) Praktische Aspekte (d.h. der kollaborative Charakter von Forschungsprojekten russischer Formalisten und die wechselseitigen Einflüsse von performativen Praktiken und deren Erforschung); 3) Medienbezogene Aspekte (d.h. neue Medienarchive performativer Praktiken). Dieses Projekt soll die wechselseitigen Einflüsse zwischen den performativen Künsten (Dichter- und Autorenlesungen, individuelle und kollektive nicht-autoritäre Performances, Theater) und der zu der Zeit innovativen Theorie aufdecken. Die Methoden, die in den frühsowjetischen Institutionen ihren Anfang nahmen, brachten die Theorie zur strikten Unterscheidung zwischen text- und performancezentrierten Ansätzen. Dennoch schlossen sie sich gegenseitig nicht aus. Aus diesem Grund ist die heutige Analyse komplexer Wechselbeziehungen zwischen der Poetik literarischer Texte und performativen Aufführungen für deren Verständnis sehr hilfreich. Diese Untersuchung soll die Lücke zwischen der zeitgenössischen Rezitationsforschung und Performancetheorie im Allgemeinen schließen.
DFG-Verfahren WBP Stelle
 
 

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