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Finanzsektor und Ungleichheit

Fachliche Zuordnung Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Wirtschaftspolitik, Angewandte Volkswirtschaftslehre
Förderung Förderung seit 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 536073558
 
Fast alle Einkommensströme und Finanztransaktionen, die mit dem Transfer von Vermögenswerten verbunden sind, werden durch den Finanzsektor kanalisiert. Verschiebungen der Einkommens- und Vermögensverteilung korrespondieren mit Verschiebungen finanzieller Ressourcen. Darüber hinaus beeinflusst der Finanzsektor selbst die Entwicklung der Ungleichheit: beispielsweise tragen Entlohnungstrends im Finanzsektor zur gesamtwirtschaftlichen Einkommensungleichheit bei und neue Finanzprodukte können die Renditen, die reiche und arme Haushalte mit Kapitalanlagen erzielen, verstärken. Allerdings kann das Finanzwesen auch dazu beitragen, Vermögensunterschiede zu verringern. So sind zum Beispiel Wertzuwächse aus kreditfinanziertem Wohneigentum eine wichtige Triebfeder für die Vermögensbildung der Mittelschicht. Trotz dieser engen Verbindungen zwischen Finanzsektor und Ungleichheit haben Historiker und Ökonomen bislang die vielfältigen Verbindungen zwischen beiden Forschungsbereichen ignoriert. In der beantragten Kollegforschergruppe wird der Nexus zwischen dem Finanzsektor und ökonomischer Ungleichheit in langfristiger, international vergleichender historischer Perspektive untersucht werden. Dies ist derzeit von besonderem Interesse, weil zwei herausragende säkulare Trends zusammenkommen: Erstens hat die Einkommensungleichheit in vielen Ländern in den vergangenen Dekaden erheblich zugenommen und hat ein Niveau erreicht, das zuletzt im 19. Jahrhundert zu beobachten war. Zweitens wuchs der Finanzsektor in den letzten Jahrzehnten deutlich, die öffentliche und private Verschuldung ist auf ein Rekordniveau gestiegen und die Struktur der Finanzintermediation hat sich verändert - ein Prozess, der als "Finanzialisierung" der Wirtschaft und als Übergang vom Manager- zum Investorenkapitalismus beschrieben wird. Aus historischer Perspektive erinnert diese transformatorische Veränderung der Finanzmärkte in Verbindung mit Verschiebungen in der Einkommens- und Vermögensverteilung an ähnliche Entwicklungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als eine Umgestaltung vom Unternehmer- zum Managerkapitalismus im Gange war - damals wurde in der Kontroverse mit Begriffen wie "Finanzkapitalismus" oder "Money Trusts" operiert. In der beantragten KFG werden wir untersuchen, wie sich grundlegende Veränderungen in der Verteilung ökonomischer Ressourcen auf die Entwicklung des Finanzsektors ausgewirkt, die Muster der Finanzintermediation geprägt und das Bankgeschäft im Laufe der Zeit beeinflusst haben. Gleichzeitig soll thematisiert werden, wie und durch welche Kanäle der Finanzsektor seit dem 19. Jahrhundert selbst verstärkend oder reduzierend auf Ungleichheit wirkte. Die KFG wird Forscher aus der Finanzgeschichte und der Makroökonomik zusammenbringen und aufzeigen, wie Finanzmärkte von langfristigen Trends in der Ungleichheit geprägt werden und sie gleichzeitig selber beeinflussen. Dadurch soll die KFG die wissenschaftliche und öffentliche Debatte über Ungleichheit bereichern.
DFG-Verfahren Kolleg-Forschungsgruppen
 
 

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