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Ästhetische und politische Dimensionen des Habitat-Dioramas um 1900. Bildaktivität und medialer Eigensinn im Naturkundemuseum

Antragstellerin Theresa Stankoweit
Fachliche Zuordnung Kunstgeschichte
Förderung Förderung seit 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 536375452
 
Die Publikation widmet sich dem Habitat-Diorama, einem naturkundlichen Schaubild, in dem präparierte Tiere in einer gestalteten Landschaft vor einem bemalten Hintergrund präsentiert werden. Sie rückt damit ein Bildmedium in den Fokus, das trotz seiner weiten Verbreitung in der bisherigen kunsthistorischen Forschung weitgehend unbeachtet geblieben ist. Kernthese des Buches ist, dass durch die Verwendung eines spezifischen medialen Dispositivs, das auf eine körperliche ästhetische Erfahrung abzielt, in Habitat-Dioramen besonders wirkmächtige ideologischen Bildaussagen getroffen werden. Fallbeispiele sind zwei Schaubilder aus dem Senckenbergmuseum in Frankfurt am Main: die "Flora und Fauna Deutsch-Ostafrikas" (1908) und das "Nordpolarleben" (1912). Ausgehend von den Frankfurter Beispielen werden in der ersten Hälfte des Buches zunächst die politischen Dimensionen des Habitat-Dioramas analysiert. Es wird deutlich gemacht, dass durch die Bearbeitung und Zusammenstellung der Tierpräparate stereotype Geschlechterrollen und idealtypische Lebensentwürfe kommuniziert werden. Der im Habitat-Diorama präsentierte "Lebensraum" ist eine politische Kategorie. Im Frankfurter Naturkundemuseum wird koloniales Territorium markiert, Landnahme imaginativ nachvollzogen. Die Popularisierung der Naturwissenschaften, insbesondere der Biologie, die als "Lehre des Lebens" über die Fachdisziplin hinausweist, wird als Kontext der Etablierung von Habitat-Dioramen in den neu entstehenden Naturkundemuseen identifiziert, Verbindungen zur Naturschutzbewegung und zur Jagd werden aufgezeigt. In der zweiten Hälfte der Arbeit werden die ästhetischen Dimensionen des Habitat-Dioramas untersucht. Die Präsenz der Tierhaut sowie die Illusion von Lebendigkeit, die dem Tierpräparat anhaftet, schaffen eine mächtige materielle und indexikalische Authentifizierung der Bildinhalte. Unterstrichen wird diese durch die individuelle Körpererfahrung, zu der das Medium anregt. Dreidimensionalität und räumliche Tiefe der Inszenierung verlangen eine Bewegung, um das Bild zu erschließen, die unterschiedlichen materiellen Oberflächen und die räumliche Staffelung der Bildelemente adressieren eine taktile und leibliche Wahrnehmung. Vergleiche mit Tierfotografien, zoologischen Illustrationen und der Präsentation lebender Tiere in Zoos sowie zu anderen populären Bildmedien der Zeit, etwa dem Panorama oder der stereoskopischen Fotografie, schärfen die Erkenntnisse über die spezifischen medialen Eigenschaften des Habitat-Dioramas. Nach einem Abschnitt, in dem über den medialen Status der Fotografien von Habitat-Dioramen reflektiert wird - welche die bildliche Grundlage der Analysen bilden - schließt die Arbeit mit einem Ausblick: Bedingt durch die aktuellen ökologischen Krisen werden neue Naturbilder in den Naturkundemuseen entstehen, die ebenso wie die historischen Beispiele auf ihre ästhetischen Strategien sowie ihre kulturellen und politischen Dimensionen hin befragt werden sollten.
DFG-Verfahren Publikationsbeihilfen
 
 

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