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Das Leben in der Warteschleife: ein physiologisches Modell einer Tieftemperaturuhr in einem diapausierenden Insekt
Antragsteller
Professor Dr. Philipp Lehmann
Fachliche Zuordnung
Biochemie und Physiologie der Tiere
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 536846905
In saisonalen Umgebungen ist ein Teil des Jahres für die Entwicklung und Fortpflanzung kleiner ektothermer Tiere oft zu rau oder zu arm an Ressourcen. Deshalb verbringen sie diese Zeit üblicherweise in einer Ruhephase, genannt Diapause. Dies bedeutet eine weitgehende Unterdrückung des Stoffwechsels und der Entwicklung. Dabei profitieren diapausierende Insekten von Vorteilen wie Stressresistenz, geringem Energieverbrauch und einem verlangsamten Alterungsprozess. Die Diapause ist jedoch kein Zustand völliger biologischer Inaktivität, sondern eine stark regulierte Abfolge unterteilt in Einleitung, Aufrechterhaltung und Terminierung. Entscheidend für den erfolgreichen Ablauf der Diapause sind niedrige Temperaturen. Diese helfen den Insekten Energie zu sparen und verhindern eine frühzeitige Entwicklung. Ohne eine längere Kälteperiode (Kältezähler) kann die Diapause nicht erfolgreich abgeschlossen werden, und sich kein lebensfähiger Falter bei wieder wärmeren Temperaturen entwickeln. Wie genau die kalten Temperaturen die Diapause-Physiologie beeinflussen, ist noch ungeklärt. Dies ist besonders besorgniserregend angesichts des Klimawandels mit immer wärmeren Wintern. In diesem Projekt möchte ich untersuchen, wie sich niedrige Temperaturen auf die Diapause-Physiologie der Schmetterlingsart Pieris napi auswirken, einem typischen Insekt der gemäßigten Zonen, das im Winter in eine Puppendiapause geht. Meine Forschungsgruppe untersucht die Diapause bei dieser Art seit mehr als einem Jahrzehnt und hat einen umfangreichen Methodenkatalog entwickelt. Ich möchte dabei zwei miteinander verbundene Fragen klären, die sich auf die Proteinbiologie konzentrieren, eine funktionelle Ebene, die relativ wenig erforscht ist. Mithilfe verschiedener Methoden, von groß angelegten "Omics"-Techniken bis hin zu funktionellen Assays von Proteinaktivitätszuständen und gezielten Manipulationen von Signalwegen und Rezeptoren, möchte ich verstehen, (i) wie diapausierende Insekten ein Gleichgewicht zwischen metabolischer Inaktivität (Stoffwechselunterdrückung) und Aktivität aufrechterhalten, und (ii) wie der Kältezähler während der Diapause funktioniert. Die Hypothese, dass die Neusynthese von Proteinen bei kalten Temperaturen suboptimal ist und dass die Diapause hauptsächlich durch Verlagerung von Proteinen von Speicherorten an aktive Standorte, oder durch Änderungen der Aktivität von bestehenden Proteinen gesteuert wird, (z. B. durch Phosphorylierung und Acetylierung von Transkriptionsfaktoren), soll dabei untersucht werden. Zusammenfassend zielt dieses Projekt darauf ab, umfassend zu untersuchen, wie P. napi komplexe Stoffwechselvorgänge bei kalten Temperaturen effektiv bewältigt und kalte Temperaturen als Zeitmessungsmechanismus im Winter nutzt. Ich hoffe, damit einen wichtigen Beitrag zu unserem Verständnis zu leisten, wie sich Insekten an veränderte Umweltbedingungen anpassen, insbesondere vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Mitverantwortliche
Professorin Dr. Dörte Becher; Professor Dr. Michael Lalk