Magnetotelluric soundings through the centre of the North German Basin
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Seit Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts werden im Norddeutschen Becken umfangreiche Magnetotellurik-Sondierungen mit dem Ziel des Nachweises elektrisch gut leitender Schichten in präpermischen Sedimenten durchgeführt. Mit dem Projekt konnte dargelegt werden, dass das Auftreten dieser guten Leiter in größerer Tiefe mit größter Wahrscheinlichkeit auf höher inkohlte bitumen- und pyritreiche Schwarzschiefer zurückzuführen ist. Ihre hohe Leitfähigkeit kann mit Hilfe der Magnetotellurik genutzt werden, um z. B. im Unterkarbon die Stillwasser- (Schwarz/Alaunschiefer-) Fazies von der weniger gut leitenden Flysch- und Kohlenkalk-Fazies zu unterscheiden. Gut leitende Schichten in präpermischen Sedimenten treten im Nordostteil des Beckens im Bereich der Inseln Rügen und Usedom sowie des südlich angrenzenden Festlands bis zur Anklam-Störung in kambro-ordovizischen Schwarzschiefern (Skandinavische Alaunschiefer, Rügen-Kaledoniden), südwestlich der Unterelbe-Linie dagegen in unterkarbonischen Schwarzschiefern der Kulm-Fazies (Rhenoherzynische Alaunschiefer, Variszische Außenzone) auf. Im Beckenzentrum hingegen fehlen gut leitende Sedimente im Präperm. Die Ursache für das Fehlen eines unterkarbonischen Leiters wird einerseits in der Ausbildung der „Norddeutschen Karbonat-Plattform" mit Kohlenkalk-Fazies, die auf Rügen in einer Vielzahl von Bohrungen nachgewiesen ist, und andererseits in der Verbreitung der kulmischen Flysch-Fazies, die in Nordostdeutschland in mehreren Bohrungen erteuft wurde, gesehen. Von besonderer Bedeutung für die Ableitung der regionalen Verbreitung der unterkarbonischen Schwarzschiefer im Bereich des Norddeutschen Beckens sind die neueren MT-Ergebnisse aus dem Emsland (Niedersachsen), dem Glückstadt-Graben (Schleswig-Holstein) sowie den Bereichen des Steinhuder Meer-Lineaments und der Bramscher Anomalie (Niedersachsen). Der Vergleich zwischen den MT-Modellen und den geologischen Schnitten zeigt, dass der gute Leiter im Bereich der Pompeckj-Scholle in einer Tiefe von 7-9 km mit unterkarbonischen Schwarzschiefern zu korrelieren ist. Dieser Leiter fehlt im Bereich der südlich angrenzenden Niedersachsen-Scholle. Als regionale Besonderheit tritt an seine Stelle ein Leiter in nur 5-6 km Tiefe, der durch westfälische Kohleflöze interpretiert wird, die dort wahrscheinlich in Folge tiefer Versenkung im Zeitraum Jura bis Unterkreide und Inversion in der Oberkreide höher inkohlt wurden. Es wird angenommen, dass die Ursache für das Fehlen des tieferen Leiters im Bereich der Niedersachsen-Scholle in der Ausbildung der „Niedersächsischen Karbonat-Plattform" liegt. Basierend auf den MT-Ergebnissen wird die bisher bekannte Paläogeographie des Unterkarbons dahingehend präzisiert, dass die Schwarzschiefer der Stillwasser-Fazies eine wesentlich weitere nordwärtige Verbreitung im Bereich des Norddeutschen Beckens aufweisen als bisher allgemein angenommen. Es existiert möglicherweise über das „Ostfriesland-Becken" eine Verbindung zu den Schwarzschiefern der sogenannten Bowland Shale-Fazies oder deren Äquivalente in der südlichen Nordsee und in Zentralengland. Der Sedimentationsraum in diesen Gebieten ist durch typische Horststrukturen mit Kohlenkalk-Fazies und Grabenstrukturen mit Schwarzschiefer-Fazies gekennzeichnet. Die MT-Ergebnisse veranschaulichen, dass das Cleaver Bank High der südlichen Nordsee und der östlichen Niederlande zwanglos in die Niedersachsen-Scholle verlängert werden kann und somit anzunehmen ist, dass auch das Nordwestdeutsche Becken in das großräumige System der Horst- und Grabenstrukturen im Unterkarbon einbezogen ist. Basierend auf diesen neuen tektonischen und paläogeographischen Modellvorstellungen für das Unterkarbon wird eine präzisierte Erdgas-Höffigkeitsbewertung für das Norddeutsche Becken abgeleitet. Danach sind potentielle marine Erdgas-Muttergesteine nur im Bereich der nordwestdeutschen Stillwasser-Fazies des Unterkarbons zu erwarten, die für eine Generierung möglicher Erdgas-Akkumulationen in Betracht kommt. Um das neu entstandene paläogeographische Bild abzurunden, sollten zukünftige Magnetotellurik-Sondierungen vor allem in Gebieten durchgeführt werden, die geologisch oder lagerstättenkundlich von besonderem Interesse sind. Zum einen wären das Messungen direkt über die Bramscher Anomalie, um deren Ursachenforschung weiter voranzutreiben. Zum anderen sollten auch Gebiete wie die Niederlande und die südliche Nordsee (Offshore-MT) mit eingeschlossen werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
-
(2003): Magnetotelluric soundings in the North German Basin - Example „Ems". In: Alfred-Wegener-Stiftung (Hrsg.): DFG - SPP 1135 „Dynamics of sedimentary systems under varying stress conditions by example of the Central European Basin System", 3. - 5. Dez. 2003, 25-28, Terra Nostra, Berlin
Jödicke, H., Hoffmann, N. und Horejschi, L.
-
(2004); Neue Erkenntnisse zur Paläogeographie des Unterkarbons im Norddeutschen Becken - Ergebnisse magnetotellurischer Messungen. In: Jacobs, F., Rohling, H.-G. und Uhlmann, O. (Hrsg.): GeoLeipzig 2004 „Geowissenschaften sichern Zukunft", 29. Sept. - 1. Okt. 2004, Heft 34, Hannover
Hoffmann, N., Jödicke, H. und Horejschi, L.
-
(2005): Regional distribution of the Lower Carboniferous Culm and Carboniferous Limestone facies in the North German Basin - derived from magnetotelluric soundings. Zt. dt. Ges. Geowiss. 2, 156, S. 323-339
Hoffmann, N., Jödicke, H, und Horejschi, L.