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Genizat Germania - Die literarische Kultur der Juden im mittelalterlichen Deutschland anhand hebräischer und aramäischer Einbandfragmente

Fachliche Zuordnung Religionswissenschaft und Judaistik
Förderung Förderung von 2007 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 53797660
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt verfolgte das Ziel, die literarische Kultur des Judentums am Ausgang des Mittelalters anhand von Einband- und Makulaturfragmenten in deutschen Archiven und Bibliotheken zu rekonstruieren. Im Zuge der systematischen Suche nach hebräischen Fragmenten wurden über 1000 Institutionen angefragt und teilweise selbst vor Ort nach Fragmenten gesucht. Dabei wurden ca. 1820 Fragmente identifiziert und katalogisiert. Die dabei gefundenen Texte entsprachen den üblichen literarischen Gattungen der mittelalterlichen jüdischen Literatur: An erster Stelle sind liturgische Texte zutage gefördert worden. Die Gruppe der Fragmente mit Texten aus Machsorim, Selichot und Qinnot ist eindeutig die umfangreichste, dicht gefolgt von einer großen Anzahl von Bibelfragmenten, und zwar in sehr unterschiedlichen Formaten. Viele Fragmente mit Bibeltexten bieten etwa aramäische Übersetzungen (Targumim), aber auch Kommentare (meist Raschi, Raschbam) und masoretische Erklärungen (Masora parva und magna). Eine weitere wichtige Fundgruppe umfasst die Texte aus Talmud und Midrasch, darunter auch zahlreiche Talmud- Kommentare wie z.B. Tosafot. Midrasch-Fragmente fanden sich vergleichsweise selten. Wichtiger sind die zahlreichen Fragmente mit Texten halakhischen Inhalts, d.h. Reste von Rechtskodizes und Rechtskommentaren sowie Responsen. Insgesamt bieten die erhaltenen Fragmente einen einmaligen Einblick in die jüdische Literaturgeschichte am Ausgang des Mittelalters. Zwar ist davon auszugehen, dass andere Literaturgattungen wie medizinische oder mathematische Texte in kleineren Formaten ebenfalls vorhanden waren, diese sich jedoch zur Wiederverwendung als Bindematerial weniger anboten und daher in diesen Fundzusammenhängen nicht belegt sind. Insgesamt dürften die erhalten Handschriftenreste jedoch typisch für die jüdische Literaturund Handschriftenproduktion zwischen 13.-16. Jahrhundert sein. Die ältesten erhaltenen und von mir identifizierten Fragmente stammen aus dem 12. Jahrhundert. Die jüngsten, auf Papier erhaltenen wohl aus dem 17. Jahrhundert. Ihr Erhalt lässt sich gelegentlich mit Verfolgung und Vertreibung von Juden in Verbindung bringen. Doch ist auch davon auszugehen, dass die massenhafte Wiederverwendung von jüdischen Handschriften am Ausgang des Mittelalters auch mit dem Medienwechsel und der Einführung des Buchdrucks zusammenhängt. Jüdische Handschriften wurden offensichtlich genauso recycelt wie christliche, auf Deutsch oder in Latein geschriebene. Die Funde werden in separaten gedruckten (VOHD) und elektronischen Katalogen erschlossen und zugänglich gemacht. Ein Großteil der Funde aus den Jahren 2007-2012 sind bereits in Manuscripta Mediaevalia aufgenommen und werden hebräisch beschrieben auch in dem ALEPH Catalogue des Institute for Hebrew Manuscripts on Microfilm in Jerusalem sowie in „Books within Books“ zugänglich gemacht. Ein Problem stellt nach wie vor die zuverlässige Archivierung elektronischer Daten dar. Auch deswegen wurde auf die Anlage einer eigenen Datenbank verzichtet, sondern auf bestehende Projekte zugegriffen bzw. mit diesen kooperiert.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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