Detailseite
Projekt Druckansicht

Typisierter Schutz in Gesetz und Urteil

Fachliche Zuordnung Privatrecht
Förderung Förderung seit 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 538125315
 
Wer will schon Regelungen, die den Besonderheiten des Einzelfalls und dem eigentlich verfolgten Normzweck nicht gerecht werden? Recht Schaffende, Recht Anwendende und Recht Unterworfene sind wohl darin einig, dass darin keine „gute Gesetzgebung“ zu sehen wäre. Typisierende Regelungen zeichnen sich aber gerade durch ihren Mangel an Einzelfallgerechtigkeit aus – und nicht nur das: Es handelt sich um eine systematisch herbeigeführte Nicht-Erreichung des beabsichtigten Regelungszwecks, die bewusste Ignorierung eigentlich relevanter Um-stände des Einzelfalls, eine Ungerechtigkeit im Einzelfall mit Ansage. Gleichwohl bedienen sich substanzielle Neuerungen des Vertragsrechts seit Inkrafttreten des BGB in Form des typisierenden Schutzes von Mieterinnen und Mietern, Arbeitnehmenden, Verbraucherinnen und Verbrauchern, Klauselgegnerinnen und Klauselgegnern, sowie Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmern dieser Regelungstechnik in einem so großen Maß, dass man von einem „Sozialmodell des typisierenden Schutzes“ sprechen könnte. Die Typisierung von Schutz bewirkt etwa, dass im Verbraucherschutzrecht spezialisierte Anwältinnen sich darauf berufen können, nicht ordnungsgemäß über ein Verbraucherwiderrufsrecht informiert worden zu sein, Lizenzspie-ler der ersten Bundesliga mit Rechtsberatung und Millioneneinkommen als Arbeitnehmer geschützt werden, die wohlhabende Mieterin ihrer Drittwohnung vom sozialen Mietrecht profitiert, umgekehrt aber kleine Handwerks-betriebe belastende Kreditverträge auch dann nicht widerrufen können, wenn sie in der Vertragsabschlusssituation überrumpelt wurden, wirtschaftlich abhängige Crowdworker oder Solo-Selbstständige regelmäßig keine Arbeitnehmer sind und Kleingewerbetreibende nur wenig vor der Kündigung ihres Gewerberaummietvertrags ge-schützt sind. Einen Ausweg verheißt neuerdings die „Personalisierung“ von Recht, eine Anpassung des Rechts selbst an individuelle Schutzbedürftigkeit, die durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz möglich wird. Durch Auswertung von „Big Data“ soll eine Personalisierung von Normen durch eine Anpassung der rechtlichen Anforderungen an die Persönlichkeitseigenschaften der jeweiligen Normadressatinnen und Normadressaten ermöglicht werden. Die Arbeit beleuchtet die Gesetzestechnik der Typisierung (das „Wie“) von Schutz insbesondere im Vertragsrecht aus rechtstheoretischer, rechtsökonomischer, rechtsvergleichender, rechtshistorischer, rechtsdogmatischer und rechtspolitischer Perspektive. Die Arbeit betrachtet in diesem Zusammenhang auch rechtspolitische Forderungen nach einer gleichzeitig systemstimmigen, freiheitsdienlichen, einzelfallgerechten und für die Praxis leicht anzuwendenden Ausgestaltung von (sozialem) Schutz im Privatrecht, die bei einem Zurückbleiben europäischer und deutscher Gesetzgebung hinter diesem Anspruch einen Verfall von Gesetzgebungskunst allgemein und Störungen durch das europäische Mehrebenensystem im Besonderen beklagen.
DFG-Verfahren Publikationsbeihilfen
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung