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Zur Kritik der Kinogewalt. Die Filme von Michael Haneke Wilhelm Fink Verlag, München 2003
Antragsteller
Jörg Metelmann
Fachliche Zuordnung
Theater- und Medienwissenschaften
Förderung
Förderung von 2002 bis 2003
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5381917
Gewalt-in-den-Medien-Studien müssen, so das Desiderat nach gut hundert Jahren Bild-Medien-Forschung, als Gesellschaftsanalyse und nicht mehr als Sündenbock-Ritual betrieben werden. Es gilt, den Zusammenhang zwischen gewalthaltigen Bildern und wuchernder Bilderwelt im Allgemeinen sowie zwischen kollektiven Gewalt-/Angstlust-Phantasmen und realer Gewalt zu fokussieren. Als methodologische Konsequenz daraus führt "Zur Kritik der Kino-Gewalt. Die Filme von Michael Haneke" das ethnographische Konzept der "dichten Beschreibungen" (Clifford Geertz) in die Medienwissenschaft ein, dessen angestrebte umfassende Vertextung medialer Produkte als Grundlage für interdisziplinär ausgerichtete Analysen dienen kann.Inhaltlich entfaltet "Zur Kritik der Kino-Gewalt" eine solche komplexe Analyse am Corpus der Kino-Filme von Michael Haneke, der als gegenwärtig wichtigster deutschsprachiger Kinoregisseur gilt. Der österreichische Autorenfilmer hat sich in den vier aufeinander folgenden Produktionen "Der siebente Kontinent" (1989), "Benny's Video" (1992), "71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls" (1994) und "Funny Games" (1997) mit Fragen der Repräsentation sozialer (Gewalt-)Verhältnisse auseinander gesetzt.Grundthese der Arbeit ist, dass Gewalt bei Haneke in Weiterführung von Bertolt Brechts Anti-Illusions-Ästhetik durch höchstreflektierte Konstruktion als Fremdes codiert wird, das sich in seiner Inkommensurabilität gegen konsumistische Aneignung sperrt. Unter Einbeziehung von Walter Benjamin, Peter Bürger und Gilles Deleuze zeichnet die Studie nach, wie sich Haneke als "letzter Avantgardist" gegen die postmoderne Bild-Spektakelgesellschaft auflehnt, indem er an der Trennung von Kunst und Leben in der Moderne festhält. Ziel ist die Re-Etablierung eines Ortes der Kritik an den ubiquitären (Gewalt-)Bildern, von dem aus Kunst wieder in den Alltag zurückwirkt.Mit spezifischen, eingehend untersuchten Verfahren gelingt es Haneke, der dargestellten Gewalt die oft überspielte Dimension des Leids der Opfer zurückzugeben und den Zuschauer in aufklärerischer Geste als Dialogpartner herauszufordern. Namentlich gegen Oliver Stone und Quentin Tarantino fokussieren seine auf eigens verfassten Plots basierten Filme den Schmerz und die Unfassbarkeit der Gewalt. Der Tat - Suizid, Amok, Mord - wird dabei jegliche Motivation vorenthalten. Gewalt wird so erneut als genuin Fremdes, als das Andere der scheinbar befriedeten Gesellschaft sichtbar.
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen
