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Identifikation molekularer pharmakologischer Mechanismen an humanen 5-HT3-Rezeptoren mit Bedeutung für postoperative Emesis

Antragsteller Professor Dr. Bernd W. Urban, seit 11/2009
Fachliche Zuordnung Anästhesiologie
Förderung Förderung von 2002 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5382490
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ziel dieses Forschungsprojektes war die Identifikation molekularer pharmakologischer Mechanismen an humanen 5-HT3-Rezeptoren mit Bedeutung für postoperative Emesis. (Anti)emetischer Eigenschaften von 100 Pharmaka wurden mit elektrophysiologischen Wirkung auf 5-HT3-Rezeptoren korreliert. Alle untersuchten Substanzen zeigen am 5-HT3-Rezeptor mehrere makroskopische Wirkungen gleichzeitig, unterscheiden sich aber vielfältig in deren Ausprägung. Dabei gibt es schnelle Wirkungen, die den 5-HT Strom bis zum Erreichen des Peaks inhibierend oder potenzierend modifizieren, langsamere, die den Strom auch oder erst nach dem Erreichen des Peaks verändern, wiederum inhibierend oder potenzierend, und Wirkungen, die von der Konzentration des Transmitters 5-HT-abhängig sind. Unsere kinetischen Untersuchungen von Anästhetika, Analgetika, Antiemetika und deren systematisch veränderten Derivaten haben nach einer detaillierten makroskopischen elektrophysiologischen Charakterisierung anschließend eine Klassifikation dieser Substanzen erlaubt. Anhand der Korrelation der klinischen Emetogenität der untersuchten Substanzen mit den Wirkungen am 5-HT3A-Rezeptoren ließen sich mittels dieser Klassifikation Hypothesen bilden, die charakteristische Eigenschaften von (Anti)Emetika identifizieren und in zukünftigen klinischen Studien zu überprüfen sind: Wenig emetogene (i.v.) Anästhetika und Antiemetika hemmen den 5-HT3A Rezeptor. Hingegen zeigen viele emetogene Substanzen keine Hemmung des 5-HT3A Rezeptors oder potenzieren ihn sogar. Einige (Anti)Emetika reagieren am 5-HT3A Rezeptor miteinander oder mit 5-HT. Bestimmte (anti)emetogenen und analgetischen Substanzen inhibieren den 5-HT-Transporter. Substanzwirkungen können von der Subtypenzusammensetzung des 5-HT3-Rezeptors abhängen. Polare Strukturen können für spezifische Effekte am 5 HT3A Rezeptor verantwortlich sein, aber auch hydrophobe Gruppen können spezifische Effekte am 5-HT3A Rezeptor hervorrufen. Emetogene Blocker des 5-HT-Transporters steigern die Konzentration von 5-HT im Plasma von Probanden (und damit eventuell auch im synaptischen Spalt). Erkenntnisse mit potentieller klinischer Relevanz zeichnen sich bereits ab. So hat sich gezeigt, dass die (anti)emetischen Potenzen dieser Substanzen veränderlich und vom Funktionszustand der involvierten neuronalen Netzwerke und deren serotonergen Synapsen abhängig sein können. Weiterhin sollte sich z.B. die Emetogenität eines Derivates einer emetogenen Substanz reduzieren lassen, in dem durch gezielte Substitution im Molekül die schnelle Potenzierung verhindert und eine schnelle Inhibierung am 5-HT3- Rezeptor gefördert wird. Ebenso sollte der Grad der klinischen Antagonisierbarkeit der Komponente der Emesis, die 5-HT vermittelt ist, ebenfalls von der Art der Wechselwirkung des Anästhetikums bzw. Analgetikums mit dem 5-HT3-Rezeptor und dem 5-HT Transporter abhängig sein. Publizierte klinische Daten, die zeigen bzw. andeuten, dass Phenol aber nicht Propofol emetogen ist, dass offenbar Morphin eine geringere Emetogenität als andere Opiate aufweist, dass Sevofluran im Trend weniger emetogen als Isofluran zu sein scheint und schließlich dass Tramadol und Pethidin bei schneller Injektion Übelkeit und Erbrechen auslösen, sind alle vereinbar mit den von uns am 5-HT3-Rezeptor gewonnenen Ergebnissen. Es fehlen allerdings zurzeit belastbare quantitative klinische Studien, mit denen sich Korrelationen der klinischen Emetogenität dieser Subtanzen mit ihren Wirkungen an 5-HT3-Rezeptoren ausführlicher testen ließen. Dafür wäre ein messbarer Parameter als Korrelat der serotonerg-vermittelten Emetogenität dieser Substanzen wichtig: nach unseren ermutigenden Ergebnissen mit Serotoninplasmakonzentrationen sollte zukünftig deren Eignung als derartiger Parameter evaluiert werden. Der Weg vom molekularen Verständnis der Anästhetika-Effekte am 5-HT3-Rezeptor zu einer rationalen Entwicklung wirksamer Antiemetika scheint noch weit. Der unerwarteten Vielfalt der phänomenologisch beobachtbaren Substanzwirkungen am 5-HT3-Rezeptor liegt kein einfacheres, sondern eher noch komplexeres Verhalten auf der molekularen Ebene zu Grunde. Die neuen Erkenntnisse auf der molekularen Ebene sollten ernst genommen werden und in die Konzeption künftiger in-vitro Untersuchungen einfließen: Statistische Relevanz auf der molekularen Ebene zu erhalten erfordert einen Zeitaufwand, der bei der gegenwärtig verfügbaren elektrophysiologischen Methodik kaum realistisch scheint. Unsere neue Erkenntnis, dass humane 5-HT3-Rezeptoren bereits mit 30 nM 5-HT aktivierbar sind, pharmakologische Patch-Clamp Untersuchungen aber hundert- bis sogar tausendfach höhere Konzentrationen verwenden, zeigt deutlich die Notwendigkeit der zuvorigen Charakterisierung der bei Emesis involvierten, 5-HT3-Rezeptoren enthaltenen Netzwerken, um die 5-HT Konzentrationen und die Zeitdomänen identifizieren zu können, die für zukünftige pharmakologische Untersuchungen sinnvoller Weise gewählt werden sollten. Die hundert hier untersuchten Substanzen folgen der Meyer-Overton-Korrelation bezüglich ihrer Potenz am 5-HT3-Rezeptor bis auf wenige Ausnahmen wie z.B., Morphin und Hydromorphon, sowie die 5-HT3-Antagonisten mit über hundertfach höheren Potenzen. Damit liefern diese Untersuchungen nicht nur wichtige Informationen für das Verständnis der Mechanismen der Emesis sondern auch die der Anästhesie, die zudem noch miteinander verknüpft sein könnten, da die LIPOID Hypothese der Narkose (Urban, Eur J Anaesth, 12 :1-4, 1995) Emesis als eine integrale Komponente der Narkosemechanismen postuliert.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Interactions of metoclopramide and ergotamine with human 5-HT3A receptors and human 5-HT reuptake carriers. Br.J.Pharmacol. 146 (4):543-552, 2005
    J. Walkembach, M. Bruss, B. W. Urban, and M. Barann
  • 5-HT3 receptors and emesis. Pharmacological Reports 58:253-255, 2006
    M. Barann, M. Brüss, M. Brinkmann, I. Linden, M. Lyutenska, M. Schneider, J. Walkembach, and M. Wittmann
  • Effects of tramadol and O- demethyl-tramadol on human 5-HT reuptake carriers and human 5-HT3A receptors: a possible mechanism for tramadol-induced early emesis. Eur.J.Pharmacol. 531 (1-3):54-58, 2006
    M. Barann, B. W. Urban, U. Stamer, Z. Dorner, H. Bönisch, and M. Brüss
  • Interactions of anesthetics with their targets: Non-specific, specific or both? Pharmacol.Ther. 111 (3):729-770, 2006
    B. W. Urban, M. Bleckwenn, and M. Barann
  • The effects of morphine on human 5-HT3A receptors. Anesth.Analg. 103 (3):747-752, 2006
    M. Wittmann, I. Peters, T. Schaaf, H. C. Wartenberg, S. Wirz, J. Nadstawek, B. W. Urban, and M. Barann
  • Molecular actions of propofol on human 5-HT3A receptors: enhancement as well as inhibition by closely related phenol derivatives. Anesth.Analg. 106 (3):846-57, 2008
    M. Barann, I. Linden, S. Witten, and B. W. Urban
  • The effects of fentanyl-like opioids and hydromorphone on human 5-HT3A receptors. Anesth.Analg. 107 (1):107-112, 2008
    M. Wittmann, T. Schaaf, I. Peters, S. Wirz, B. W. Urban, and M. Barann
  • Which agonist properties are important for the activation of 5-HT3A receptors? Biochim.Biophys.Acta 1828 (11):2564-2573, 2013
    M. F. Meiboom, M. Barann, S. Witten, K. Groeneveld, and B. W. Urban
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.bbamem.2013.06.013)
  • Direct effects of morphine but not of fentanyltype opioids on human 5-HT3A receptors in outside-out patch-clamp studies. Eur.J.Pain 18 (8):1165- 1172, 2014
    T. Schaaf, M. Lyutenska, B. W. Urban, and M. Wittmann
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1002/j.1532-2149.2014.00463.x)
  • Effects of opioids on human serotonin transporters. Naunyn Schmiedebergs Arch.Pharmacol. 388 (1):43-49, 2015
    M. Barann, U. M. Stamer, M. Lyutenska, F. Stüber, H. Bonisch, and B. W. Urban
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00210-014-1056-3)
  • Fast and slow interactions of n-alkanols with human 5-HT3A receptors: Implications for anesthetic mechanisms. Biochim.Biophys.Acta 1848:1524-1535, 2015
    M. Decker, S. Witten, M. Barann, and B. W. Urban
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.bbamem.2015.03.032)
 
 

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