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Die Zentrale-Orte-Theorie Walter Christallers in der Prähistorischen Archäologie. Neubewertung und Alternativen

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Humangeographie
Soziologische Theorie
Förderung Förderung seit 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 538768375
 
In den Forschungen zum Neolithikum, zur Bronzezeit und zur Eisenzeit Mitteleuropas gilt Walter Christallers Theorie Zentraler Orte, 1933 in monographischer Form vorgelegt, als ein probates Mittel zur Rekonstruktion prähistorischer Siedlungsmuster. Weichenstellend für eine archäologische Adaption dieses Modells waren D. Deneckes und E. Gringmuth-Dallmers Operationalisierungen, die der spezifischen Quellenlage der Archäologie gerecht zu werden versuchen. Vermittelt über eine Rekonstruktion der Siedlungshierarchie sollen Erkenntnisse bezüglich der Sozial-, Wirtschafts- und Herrschaftsstrukturen gewonnen werden. Dabei bleibt jedoch eine entscheidende Voraussetzung der Theorie Christallers unberücksichtigt: Sie kann dann hilfreich sein, wenn bekannt ist, dass es eine Siedlungshierarchie gab und diese der Logik der Zentralörtlichkeit entsprach, sie ist aber ungeeignet für die Beantwortung der Frage, ob es eine Siedlungshierarchie gab und ob diese zentralörtlich organisiert war. Beides wird bei der Projektion auf prähistorische Siedlungslandschaften zumeist diskussionslos vorausgesetzt, woraus eine Verzerrung des Bildes der jeweiligen Gesellschaften ins Hierarchische und Zentralistische resultiert. Zuletzt ist verschiedentlich versucht worden, als Korrektiv für die Vereinseitigungen der ZOT die Analyse zentraler Orte mit Netzwerktheorien zu ergänzen, doch auch dieser Ansatz fokussiert sich einseitig auf die Ermittlung von Zentralitätsstrukturen. Die grundlegende Problematik von als selbstverständlich vorausgesetzten Siedlungshierarchien, die zugleich Ausdruck ausgeprägter gesellschaftlicher Hierarchien sein sollen, bleibt von diesen Versuchen unberührt. Dass sich die zur Verfügung stehenden Daten und die Möglichkeiten ihrer Visualisierung durch den Einsatz von Geoinformationssystemen (GIS) stark vermehrt haben, lässt die Frage nach einem adäquaten Deutungsrahmen noch drängender erscheinen. Vor diesem Hintergrund verfolgt das geplante Forschungsvorhaben drei Ziele. Erstens werden in einem forschungsgeschichtlichen Abriss die Implikationen herausgearbeitet, welche die Anwendung der ZOT auf sozialhistorische Deutungen des Neolithikums, der Bronzezeit und der Eisenzeit hat. Zweitens ist der Erklärungswert alternativer geographischer Raummodelle bezüglich prähistorischen Siedelverhaltens einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Und drittens schließlich ist ein eigenes, empirisch gesättigtes Modell zu formulieren, das den Besonderheiten archäologischer Quellen Rechnung trägt und das theoretisch auf der Differenzierungstheorie, bzw. auf der Auswertung ethnographischer Dokumentationen von Siedlungsmustern beruht. Dabei dienen die differenzierungstheoretischen Kategorien dazu, im archäologischen Befund unterschiedliche Differenzierungsmuster zu identifizieren und morphographisch zu beschreiben, während mittels der ethnographischen Empirie dann die Frage nach der Beschaffenheit der Sozialsysteme zu beantworten ist, die diese Muster hervorgebracht haben.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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