Detailseite
Projekt Druckansicht

Funktionelle Charakterisierung des IGHMBP2 bei der spinalen Muskelatrophie mit respiratory distress Typ 1 (SMARD1)

Antragstellerin Dr. Katja von Au
Fachliche Zuordnung Kinder- und Jugendmedizin
Förderung Förderung von 2003 bis 2006
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5390064
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die spinale Muskelatrophie mit Atemnot ("respiratory distress") Typ 1 (SMARD1) ist eine neuromuskuläre Erkrankung des Kindesalters, welche auf Mutationen im IGHMBP2 (Immunoglobulin µ-bindendes Protein 2)-Gen basiert. Über die zelluläre Funktion des Ighmbp2 und den durch die Fehlfunktion oder den Mangel an Ighmbp2 entstandenen Krankheitsmechanismus war bislang kaum etwas bekannt. Strukturell konnte Ighmbp2 der Gruppe der SF1-Helikasen zugeordnet werden und in einigen Veröffentlichungen wurden ihm nukleäre Funktionen nachgewiesen. Wir detektierten Ighmbp2 über immuncytochemische Untersuchungen jedoch hauptsächlich im Zytoplasma von Zellen und nur zu einem geringeren Teil im Zellkern, welches auf eine (weitere, noch unbekannte und überwiegend) zytoplasmatische Funktion des Ighmbp2 hinwies. Mit dem Ziel, das zelluläre Umfeld, in dem Ighmbp2 agiert, zu identifizieren, führten wir verschiedene Experimente durch und fanden u.a. eine Kolokalisation von Ighmbp2 und Ribosomen. Weiterführende Untersuchungen zeigten, dass Ighmbp2 in einem Ribonucleoproteinkomplex in der Zelle vorliegt, den wir mit Techniken des Yeast-Two-Hybrid Screens über Immunpräzipitationsstudien näher charakterisierten. Da bei der Erkrankung SMARD1 das motorische Nervensystem am stärksten und frühesten betroffen ist, lag unser Fokus bei diesem Projekt auf der histologischen Untersuchung des Motoneuronenuntergangs, um den Pathomechanismus der SMARD1 zu verstehen. Als geeignetes Tiermodell wählten wir die nmd (neuromuscular degeneration)-Maus, da eine histologische Charakterisierung bei den SMARD1-Patienten nicht in diesem Umfang möglich war. Klinisch ähnelte das Krankheitsbild der Mausmutanten deutlich dem der SMARD1-Patienten mit dem Unterschied, dass die nmd-Maus erst im späten Krankheitsstadium eine Atemnot entwickelte. Bei den infantilen SMARD1-Patienten hingegen ist die Atemnot häufig das erste Symptom. Bei zwei von uns diagnostizierten juvenilen SMARD1-Patienten mit einem milderen Krankheitsverlauf trat die Atemnot ebenfalls erst im späteren Verlauf der Erkankung auf, so dass der Phänotyp der nmd-Maus eher dem der milderen SMARD1 entspricht. Ein sehr wichtiges Ergebnis war der Befund einer Myopathie im Zwerchfell der Mäuse. Hier lag, im Widerspruch zu Untersuchungen bei den SMARD1-Patienten, kein Untergang der Neurone des N. phrenicus mit konsekutiver neurogener Zwerchfellatrophie vor, sondern eine Myopathie der Muskelfasern des Zwerchfells als Ursache für dessen Lähmung. In dieser Arbeit trat somit erstmalig der Aspekt der Myopathie neben der neurogenen Muskelatrophie als histopathologische Grundlage der SMARD1 auf. Diese Erkenntnisse sind äußerst wichtig für die Betreuung und Diagnostik unserer Patienten, da diese z.B. eine lebensbedrohliche Kardiomyopathie entwickeln könnten und deshalb regelmäßige echokardiographische Untersuchungen benötigen. Bei kultivierten Motoneuronen von Wildtyp-Mäusen und nmd-Mutanten fanden wir keine Unterschiede im Überleben oder beim Auswachsen der Axone. Dieses Ergebnis macht einen frühembryonalen Defekt der Motoneurone unwahrscheinlich. Dem Pathomechanismus der SMARD1 liegt somit weniger ein Entwicklungsdefekt des peripheren motorischen Nervensystems als ein Problem im Erhalt der Nerven nach erfolgreichem Axonwachstum und Kontakt zur Muskelzelle zugrunde. Bereits vor Auftreten erster klinischer Symptome sahen wir bei den Mäusen histologisch einen signifikanten Rückgang der Motoneuron-Zellkörper im lumbalen Rückenmark. Zeitlich folgten ein axonaler Verlust sowie die Denervierung der motorischen Endplatten - eine Abfolge des Untergangs von Motoneuronen typisch für eine "spinale" Muskelatrophie. In diesem Projekt gelangen uns richtungsweisende Experimente zur zellulären Funktion des IGHMBP2-Proteins. Wir konnten den Pathomechanismus, der zur SMARD1 führt, charakterisieren. Die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung helfen uns, die Erkrankung SMARD1 besser zu verstehen, um Fortschritte in der Diagnostik und Behandlung der SMARD1-Patienten machen zu können.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2004) Characterization of Ighmbp2 in motor neurons and implications for the pathomechanism in a mouse model of human spinal muscular atrophy with respiratory distress type 1 (SMARD1). Hum Mol Genet 13:2031-2042
    Grohmann K, Rossoll W, Kobsar I, Holtmann B, Jablonka S, Wessig C, Stoltenburg- Didinger G, Fischer U, Hübner C, Martini R, Sendtner M
  • (2005) Triple knock-out of CNTF, LIF, and CT-1 defines cooperative and distinct roles of these neurotrophic factors for motoneuron maintenance and function. J Neurosci 25:1778-1787
    Holtmann B, Wiese S, Samsam M, Grohmann K, Pennica D, Martini R, Sendtner M
  • (2008) Spinal Muscular Atrophy With Respiratory Distress Type 1 (SMARD1). J Child Neurol 23:199-204
    Kaindl AM, Guenther UP, Rudnik-Schöneborn S, Varon R, Zerres K, Schuelke M, Hübner C, von Au K
  • IGHMBP2 is a ribosome-associated helicase inactive in the neuromuscular disorder distal SMA type 1, J Clin Invest
    Guenther UP, Handoko L, Laggerbauer B, Chari A, Sickmann A, Gehring N, von Au K, Schuelke M, Fischer U
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung