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Die Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1920 bis 1970. Hier: DFG-geförderte Ostforschung in Westdeutschland nach 1945 im Kontext des Kalten Krieges
Antragsteller
Professor Dr. Ulrich Herbert
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2002 bis 2007
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5397879
Die deutsche "Ostforschung" ist eine relativ junge Disziplin, deren Entwicklung erheblich durch den politischen Verlauf des 20. Jahrhunderts geprägt wurde. Die Disziplin erhielt sich über mehrere Systemwechsel hinweg, veränderte sich dabei aber nur bedingt: der Antikommunismus spielte stets eine zentrale Rolle. Während der verschiedenen politischen Phasen kamen neue Elemente zu der seit 1918 verstärkt "deutschtums"-zentrierten "Ostforschung" hinzu: in der Weimarer Zeit und im Nationalsozialismus völkisch-nationalistische, z.T. mit "Rassentheorien" verknüpfte Tendenzen, die von anti-westlichen Ideen ergänzt wurden; nach 1945 und mit Beginn des Kalten Krieges die Dichotomie zwischen "europäischem Abendland" und "bolschewistischem Totalitarismus". Diesen inhaltlichen Verschiebungen standen personelle, institutionelle, methodische und semantische Kontinuitäten gegenüber, die sich über die vermeintliche Zäsur des Kriegsendes erhielten; sie stellen zusammen mit der ausgeprägten Nähe zur politischen Sphäre und der Politisierungsbereitschaft zahlreicher Wissenschaftler vor und nach 1945 ein weiteres Charakteristikum der deutschen "Ostforschung" dar. Als Teil des Projekts zur "Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft" will die vorliegende Studie die DFG-Förderung der "Ostforschung" nach 1945 als Ansatz verwenden, um die intellektuellen und kulturellen Annahmen, die sich hinter der Disziplin verbergen, zu untersuchen und in den Kontext der Zeit zwischen 1920 und 1970 einzuordnen. Die DFG als führende Forschungsförderungsorganisation hatte innerhalb der deutschen Wissenschaft eine Vorreiterposition inne; sie kann daher als Kristallisationspunkt dienen, anhand dessen sich intellektuelle Entwicklungen innerhalb einer Disziplin verfolgen lassen. Es soll deshalb untersucht werden, ob und inwieweit die DFG-Förderung die Entwicklung der "Ostforschung" beeinflußte. Da neben der DFG jedoch zahlreiche weitere Akteure an der Gestaltung des Faches beteiligt waren, läßt sich die Untersuchung nicht auf die DFG-Förderung begrenzen. Daher muß das personelle und institutionelle Gefüge der "Ostforschung" in der Bundesrepublik nachgezeichnet werden, um die Rolle der DFG einschätzen zu können. Schließlich soll die Disziplin mit der amerikanischen Sowjetforschung verglichen werden. Hier finden sich strukturelle und ideologische Phänomene, die denen der deutschen "Ostforschung" z.T. sehr ähnlich sind: die Entstehung und Prägung der Disziplin durch politische Motivation, die Gegnerschaft zum Kommunismus und die Kooperation mit der Politik. Mit Hilfe des Vergleichs sollen nationale Besonderheiten und internationale Gemeinsamkeiten verdeutlicht und die bisher meist als "genuin deutsch" verstandene "Ostforschung" in die intellectual history des 20. Jahrhunderts eingeordnet werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen