Strukturelle synaptische Plastizität bei Lernvorgängen im Gesangssystem der Vögel
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Lernvorgänge gehören zum täglichen Leben und ermöglichen einem Individuum, sein Verhalten optimal an seine Umwelt anzupassen. Lernen ist ein ganz fundamentaler Prozess, bei dem Sinneseindrücke im Gehirn abgespeichert werden, die unmittelbar oder später wieder abrufbar sind. Ein zentrales Thema in den Neurowissenschaften beschäftigt sich mit der Frage, wie und wo das Gehirn Erfahrung eines Organismus verarbeitet, speichert und wieder abruft. Experimentelle Untersuchungen weisen darauf hin, dass der zugrundeliegende Mechanismus von Lernen und Gedächtnisbildung mit einer Reihe molekularer Ereignisse beginnt, die letztendlich in der Manifestation struktureller Veränderungen beruhen, die sich im neuronalen Verschaltungsmuster, sowie in der synaptischen Struktur widerspiegeln. Um strukturelle synaptische Veränderungen während Lernprozesse aufzuspüren wurde das Gesangslernen bei Zebrafinken als Modellsystem herangezogen. Viele Singvögel, wie auch der Zebrafink, müssen ihren Gesang erlernen wie auch der Mensch seine Sprache erlernen muss. Diesen Lernvorgängen liegen viele Gemeinsamkeiten zugrunde. Bei Zebrafinken spielt der laterale magnocellulare Nucleus des anterioren Nidopallium (LMAN), eine Kernregion im Vorderhirn bei Vögel, eine wichtige Rolle für das Gesangslernen. Dendritische Spines, an denen die synaptischen Kontakte für die Signalübertragung lokalisiert sind, konnten als ein wichtiges morphologisches Korrelat von Gesangslernen nachgewiesen werden. Elektronenmikroskopische Untersuchungen im LMAN zeigen, dass die synaptischen Kontaktzonen (PSD, postsynaptic density) in Tieren, die einen artspezifischen Gesang erworben haben, weitaus größer und demnach auch effektiver sind als die synaptischen Kontaktzonen gesangsdeprivierter Tieren, also in Zebrafinken, die ohne Tutor aufgewachsen sind und nur einen verkümmerten Gesang vortragen können. Von den untersuchten Synapsentypen im LMAN, zeigen alle verkürzte PSDs. Synapsen, die auf der postsynaptischen Seite eine Unterbrechung in der postsynaptischen Membranverdichtung (PSD) aufweisen und daher auch „perforierte" Synapsen genannt werden, haben nicht nur kleinere PSDs, sondern sind auch in der Synapsen-population zu einem geringeren Teil vertreten als in Zebrafinken mit einer intakten Gesangsstruktur. Aus der Säugetierliteratur ist bekannt, dass perforierten Synapsen eine wichtige Rolle in der synaptischen Plastizität zukommt. Die massiven Effekte, wie sie hier beim Vogel anzutreffen sind, wenn Lernen nicht stattfinden kann, deuten darauf hin, dass Säugern und Vögeln ähnliche Mechanismen bei Lernvorgängen zugrunde liegen und dass die Gehirnregion LMAN eine wichtige Rolle für das Gesanglernen einnimmt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2004) Differential effects of Rho GTPases on axonal and dendritic development in hippocampal neurones. Journal of Neurochemistry 90(1):9-18
Ahnert-Hilger G, Holtje M, Grosse G, Pickert G, Mucke C, Nixdorf-Bergweiler BE, Boquet P, Hofmann F und I Just
- (2004) Major sex differences in the development of myelination are prominent in song system nucleus HVC but not LMAN. Animal Biology 54(1):27-43
Nixdorf-Bergweiler BE und V von Bohlen und Halbach
- (2005) Neuronal number in song nucleus LMAN remains high in female zebra finches throughout development and in adulthood. Acta Zooloaica Sinica 51 f2):257-267
Nixdorf-Bergweiler BE und V von Bohlen und Halbach
- (2005). Evidence for a cortical-basal ganglia projection pathway in female zebra finches. NeuroReport 16(1):21-24
Kreck G und BE Nixdorf-Bergweiler
- Kapitel 2.1 Mikroskopische Untersuchungen von nativem Material. Kap. 2.1.1 Arbeiten mit Lebendmaterial, Kap. 2.1.2 Durchführung von physiologischen Versuchen und Vitalfärbung; Kap. 2.1.3 Live Cell Imaging, Kap. 2.1.4 Neuronale Tracer und ihre Anwendungen (Neuronales Tracing). In: Romeis - Mikroskopische Technik. 18. Auflage, Mulisch/Welsch (Hrsg.) Elsevier (Erscheinungstermin: 15. Oktober 2008)
Barbara E. Nixdorf-Bergweiler