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Psychoakustische, psychophysische und neurophysiologische Korrelate emotionaler Wirkung und Wahrnehmung von Musik

Fachliche Zuordnung Kognitive und systemische Humanneurowissenschaften
Förderung Förderung von 2003 bis 2009
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5470045
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ausgangspunkt dieses Projektes war die Annahme, dass Musik eine wichtige Rolle in der akustischen Vermittlung von Emotionen spielt, und dass diese Rolle evolutionär angelegt ist. Da wir Emotionen objektiv „messen“ wollten, betrachteten wir starke Emotionen beim Musikhören und konzentrierten uns auf die Gänsehaut- oder Chillgefühle. In unserem Versuchsaufbau baten wir Hörer, ihre „Chillmusik“ mitzubringen und erfassten körperliche und psychologische Reaktionen auf diese Musik. Etwa 70% der Menschen kennen derartige Erlebnisse, die aber insgesamt selten sind, oft als „intim“ empfunden werden und auch im Individuum nicht immer reproduzierbar, also unstabil und flüchtig sind. Universale Voraussetzung für ein Chillerleben ist ein Strukturbruch in der Musik, der durch Aufbau einer Erwartung, die dann geschickt getäuscht wird, erreicht wird. Harmonische, rhythmische, dynamische oder auch klang- und instrumentenspezifische Faktoren waren untergeordnet und ergaben sich aus der individuellen Hör- und gegebenenfalls aus der aktiven Musizierbiographie. So war die Chillneigung signifikant höher wenn das Instrument, das in der Jugend erlernt worden war gespielt wurde. Sensitive Menschen mit hoher Musikliebe, niedriger Reizschwelle und starker sozialer Abhängigkeit neigten zu häufigen Chill-Erlebnissen. Das Hören in einer Gruppe hemmte die Chillhäufigkeit, was auf die Schambesetzung derartiger Emotionen hinweist. Alters- und Geschlechtseffekte fanden sich bei Erwachsenen nicht. Musik, die starke Emotionen erzeugt wurde eher im Langzeitgedächtnis behalten. Ausgehend von den neurobiologischen Fakten und den Ergebnissen der Hörer-Reaktionen erarbeiteten wir ein Modell des evolutionären Ursprungs der Musik. Einerseits stammt die emotionale Wirkung von Musik aus einem phylogenetisch alten emotionalen Kommunikationssystem, das wir mit vielen Säugetieren teilen, und das Nähe, Distanz, Gefahr, Sicherheit sowie Gruppenbindung signalisiert. Andererseits ist dieses Kommunikationssystem im Zusammenhang mit dem Spracherwerb und der Entwicklung der Feinmotorik ausdifferenziert worden. Auf der Grundlage der erworbenen vokalen und manuellen Fertigkeiten ist die Musik der Steinzeitmenschen als „transformative Technologie des Geistes“ als zweite evolutionäre Quelle unserer heutigen Musikliebe zu betrachten.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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