Topgene und regulatorische Prinzipien des Aktin-bindenden Proteins Drebrine
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Drebrine („Developmentally regulated brain proteins") sind Aktin-bindende Proteine, die zunächst in Nervenzellen identifiziert wurden und hier an der Ausbildung von Nervenzellfortsätzen und an der Modulation von Synapsen beteiligt sind. In unsern Vorarbeiten hatten wir gezeigt, dass eine bestimmte Spleiß-Variante von Drebrin, die Isoform E2, auch in nicht-neuronalen Zellen weit verbreitet vorkommt. Ziel des Forschungsvorhabens war, zu prüfen, ob, wo und in welcher Weise Drebrin in nicht-neuronalen Zellen die Aktinpolymerisierung beeinflußt und somit an der Regulierung der Morphogenese, dem Aufbau von Zell-Zellverbindungen, der Ausbildung von Zellfortsätzen und der Motilität von Zellen beteiligt ist. Mit mikroskopischen und proteinbiochemischen Techniken konnte festgestellt werden, dass Drebrin und Drebrin-Komplexe auch außerhalb des Nervensystems an verschiedenen „Schlüsselstellen" des Aktin-Zytokeletts vorliegen und hier als muttifunktionelle Regulatoren von Aktin wirken. Einerseits ist das Protein an Zellverbindungen vom Zonula adhaerens-Typ angereichert. Diese Assoziation wird Zell- und Gewebetyp-spezifisch reguliert. So ist menschliche Epidermis fast frei von Drebrin, während das Protein in Hauttumoren oft drastisch heraufreguliert ist. Für den häufigsten epithelialen Hauttumor, das Basaliom, eignet sich Drebrin als „Marker" und könnte in Zukunft von praktischem diagnostischem Nutzen sein. Im Rahmen dieser Arbeiten wurden Drebrin-Antikörper hergestellt, die sich als „Tools" für die klinische Diagnostik eignen könnten und die kommerziell verfügbar gemacht wurden. Daneben spielt Drebrin auch außerhalb von Nervenzellen eine Rolle als Modulator von Zellfortsätzen. In Kulturzellen ist das Protein in Akropodien und Filopodien angereichert, in situ in den „Fußfortsätzen" von Podocyten in der Niere. Wurden Kulturzellen mit Drebrin cDNA transfiziert, veranlasste das Protein sogleich die Ausbildung von langen, verzweigten Zellfortsätzen. Während dieses Vorgangs wurden außer dem Gen für Drebrin keine anderen differenziell exprimierten Gene gefunden, so dass die grundlegende Veränderung der Zellmorphologie ein alleiniger Effekt der Drebrin-Überexpression zu sein scheint. Motile Zellen bilden während der Wanderung einen Zellausläufer in Bewegungsrichtung aus, das Lamellipodium, innerhalb dessen Vorwärtsbewegung durch gerichteten Auf- und Abbau von Aktinfilamenten erfolgt. Lebendzellmikroskopische Untersuchungen an Drebrin-EGFP-transfizierten motilen Zellen zeigten die Fusionsproteine in der hinteren Zone des Lamellipodiums, zusammen mit Tropomyosin, mit dem es um die Aktinbindung konkurriert. Andererseits waren die Fusionsproteine aber auch in hinteren Zellanteilen akkumuliert und wurden hier spezifisch an Retraktionszonen rekrutiert. Verschiedene Motilitäts-Assays sowie ein „Knockdown" von Drebrin mit siRNA ergaben jedoch, dass Drebrin die Migrationsgeschwindigkeit nicht wesentlich beeinflussen kann. Somit scheint das Protein eher an Retraktionsprozessen als an Vorwärtsbewegungen beteiligt zu sein. Die Publikationen der Antragstellerin zu Drebrin wurden mit dem Karl-Freudenberg-Preis 2007 der Heidelberger Akademie der Wissenschaften ausgezeichet. Ausgehend von der Beobachtung, dass Drebrin an Zell-Zellverbindungen von Melanomzellen und Melanocyten angereichert war, wurde ein Teilprojekt initiiert, das sich mit der Charakterisierung dieser Strukturen beschäftigte und sich im Folgenden schwerpunktmäßig auf das Cadherin-Profil dieser Zellen konzentrierte. Bisher wurde davon ausgegangen, dass für die Entstehung und Progression von Melanomen ein „Cadherin Switch" von E- zu N-Cadherin maßgeblich ist. Unsere Untersuchungen ergaben, dass das Cadherin-Profil von Melanomzellen in Kultur sowie in situ komplexer und heterogener ist als bisher angenommen und dass viele Zellen mehrere Cadherine - auch E- und N-Cadherin - parallel bilden können. Überraschend war zudem, dass bestimmte Melanomzelllinien, aber auch eine Untergruppe von Primärmelanomen und Metastasen, neben klassischen Cadherinen das desmosomale Cadherin Desmoglein 2 (Dsg2) synthetisieren, das hier als solitäres Zelloberflächenprotein vorliegt und offenbar die Basis eines neuen, primitiven Zelladhäsionssystems bildet. Diese teilweise im Rahmen einer medizinischen Dissertation gewonnenen Ergebnisse wurden mit dem Preis für experimentellonkologische Arbeiten des Onkologischen Arbeitskreises Mannheim ausgezeichnet. Die Beobachtung, dass Melanocyten in gesunder Epidermis frei von Dsg2 sind, während proliferierende Melanocyten in Zellkultur Dsg2 und Dsg2-haltige Proteinkomplexe bilden, ließ uns spekulieren, dass die Synthese von Dsg2 hier mit gesteigerter Proliferation einher geht und somit möglichenweise die Progression von Melanomen fördern kann. Die Prüfung dieser Hypothese ist Gegenstand laufender Untersuchungen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Cell biological and biochemical characterization of drebrin complexes in mesangial cells and podocytes of renal glomeruli. J Am Soc Nephrol 2003; 14:1452-1463
Peitsch WK, Hofmann I, Endlich N, Prätzel S, Kuhn C, Spring H, Gröne HJ, Kriz W, Franke WW
- Drebrin, an actin-binding, cell-type characteristic protein: induction and localization in epithelial skin tumors and cultured keratinocytes. J Invest Dermatol 2005; 125:761-774
Peitsch WK, Hofmann I, Bulkescher J, Hergt M, Spring H, Bleyl U, Goerdt S, Franke WW
- Dynamics of the actin-binding protein drebrin in motile cells and definition of a juxtanuclear drebrin-enriched zone. Exp Cell Res 2006; 312:2605-2618
Peitsch WK, Bulkescher J, Spring H, Hofmann I, Goerdt S, Franke WW
- Homo- and heterotypic cell contacts in malignant melanoma cells and desmoglein 2 as a novel solitary surface glycoprotein. J Invest Dermatol 2007; 127:2191-2206
Schmitt CJ, Franke WW, Goerdt S. Falkowska-Hansen B. Rickelt S, Peitsch WK
- Subtypes of melanocytes and melanoma cells distinguished by their intercellular contacts: heterotypic adherens junctions, adhesive associations, and dispersed desmoglein 2 glycoproteins. Cell Tissue Res 2008; 334:401-422
Rickelt S, Franke WW, Doerflinger Y, Goerdt S, Brandner JM, Peitsch WK