Detailseite
Projekt Druckansicht

Bimanuelle Koordination diskreter Fingerbewegungen: Abhängigkeiten in der Koordination zeitlicher und nichtzeitlicher Bewegungsmerkmale

Fachliche Zuordnung Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung Förderung von 2002 bis 2008
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5401635
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In einer früheren Arbeit mit bimanuellen Kraftpulsen wurde von Rinkenauer, Ulrich & Wing (2001) vorgeschlagen, dass eine hierarchische Beziehung zwischen der bimanuellen Koordination von zeitlichen und nichtzeitlichen Bewegungsmerkmalen besteht. Ihre Befunde zeigen, dass eine Reduktion der Kopplung von zeitlichen Merkmalen auch eine reduzierte Kopplung von nichtzeitlichen Merkmalen zur Folge hatte, umgekehrt jedoch nicht. Solch ein Kopplungsmuster spricht für ein Modell, in dem die Kraftimpulse beider Hände bei gleichen zeitlichen Anforderungen durch eine gemeinsame zentral nervöse Kontrollstruktur gesteuert werden. Unterschiedliche zeitliche Anforderungen an beide Hände scheinen jedoch separate Kontrollstrukturen für beide Hände zu erfordern. Eine einfache Möglichkeit bimanuelle, Bewegungen zeitlich zu entkoppeln besteht darin, den relativen Bewegungsbeginn beider Hände zu variieren. Shenwood & Sullivan fanden in Ihren Experimenten, dass mit wachsendem Zeitunterschied im Bewegungsbeginn beider Hände eine zunehmende Entkopplung in den Bewegungsamplituden beider Hände stattfindet. Bei eigenen Voruntersuchungen zu diesem Antrag zeigte sich jedoch, dass, wenn die Verzögerungszeit (IRI = Inter-Response-Intervall) bei bimanuellen Kraftpulsen einen kritischen Wert überschreitet, die Kopplung zwischen beiden Händen wieder ansteigt Dieser Befund scheint auf den ersten Blick contra-intuitiv zu sein, da man erwarten würde, dass mit zunehmender zeitlicher Verzögerung zwischen beiden Händen die Wahrscheinlichkeit steigt, dass aus einer bimanuellen Repräsentation zwei unimanuelle Repräsentationen entstehen, Ziel der Untersuchungen dieses Antrages war es daher, die Abhängigkeiten zwischen der Koordination zeitlicher und nichtzeitlicher Bewegungsmerkmale bimanueller Bewegungen weiter aufzuklären. Hierzu wurden 17 Experimente durchgeführt, in denen die Versuchsteilnehmer instruiert wurden, bimanuelle Kraftpulse oder bimanuelle Umkehrbewegungen mit den Zeigefingern beider Hände zu produzieren. Dabei wurde das IRI zwischen den beiden Händen in unterschiedlichen Bedingungen zwischen 0 ms (synchrone Bewegungen) und 800 ms variiert. Die geforderten Zielkräfte bzw. Zielauslenkungen konnten dabei gleich oder unterschiedlich für jede Hand sein. In nahezu allen Experimenten konnte ein konsistentes Kopplungsmuster gefunden werden, nämlich, dass die Kopplung der Bewegungsonsets beider Hände mit zunehmender Verzögerung monoton abnimmt. Die Kopplung der Kraft- und Bewegungsamplituden sowie der Anstiegszeiten hingegen nimmt bis zu einem IRI von 200 ms ab und steigt dann aber wieder an. Darüber hinaus zeigte sich, dass die Reaktionszeiten der bimanuellen Kraft- und Bewegungssequenzen im IRl-Bereich von 50 bis 200 ms am kürzesten sind. Eine vorläufige Erklärung für die Befunde könnte sein, dass bei einem IRI von 200 ms eine maximale Interferenz zwischen agonistischen Signalen der ersten Hand mit antagonistischen Signalen der zweiten Hand auf der Ausführungsebene stattfindet und daher In diesem Bereich die bimanuelle Entkopplung am stärksten ist. Wird dieser kritische Bereich überschritten, sind auf der Ausführungsebene beide Hände zeitlich separiert und es dominiert die verbleibende Kopplung auf der zentralen Ebene. Die Verkürzung der Reaktionszeit im kritische IRI-Bereich ist noch unklar. Hier müssen genauere Analysen und Modellierungen noch zeigen, ob es sich hier nicht nur um einen Geschwindigkeits-Genauigkeitsabgleich handelt. Insgesamt scheint sich das neue Paradigma mit systematisch verzögerten bimanuellen Bewegungen sehr gut zu eignen, um zwischen unterschiedlichen zentralnervösen Ebenen bimanueller Koordination besser trennen zu können. Einige der Befunde dieses Projekts legen nahe, dass die oben erwähnte Idee der hierarchischen Kopplung in der von Rinkenauer et al. (2001) dargestellten Form wahrscheinlich nicht haltbar ist, da zum Beispiel auch Situationen gezeigt werden konnten, in denen die zeitliche Kopplung zwar reduziert war, diese Reduktion aber keinen Einfluss auf die Kraftkopplung hatte. Hier sind noch weitere Untersuchungen und Simulationen erforderlich, um die Idee der hierarchischen Kopplung weiter zu spezifizieren.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2003), The contribution of grip force to weight perception. In : H. H. Bülthoff, K. R. Gegenfurtner, H. A. Mallot, R. Ulrich, F. A. Wichmann (Hrsg.), Beiträge zur 6. Tübinger Wahrnehmungskonferenz, 22.-24. Februar (p. 129). Kirchentellinsfurt: Knirsch
    Rinkenauer, G. & Ulrich, R.
  • (2003). Does speed stress affect early or late processes? Inferences from the LRP. Abstracts of the Psychonomic Society, 8, 13. 44th Annual Meeting, Vancouver, 6.-11. November 2003
    Rinkenauer, G., Ulrich, R. & Osman, A.
  • (2003). Integration von Hebe- und Greifkraft verbessert die Gewichtsdiskrimination. In: J. Gloz, F. Faul, R. Mausfeld (Hrsg.), Experimentelle Psychologie: Abstracts der 45. Tagung experimentell arbeitender Psychologen (p. 129), 24.-26. März, Universität Kiel. Lengerich: Pabst Science Publishers
    Rinkenauer, G., Ulrich, R.
  • (2003). Locus of the effect of temporal preparation: evidence from the lateralized readiness potential. Psychophysiology. 40, 597-611
    Müller-Gethmann, H., Ulrich, R. & Rinkenauer, G.
  • (2004). Bimanual coordination of synchronous and asynchronous force pulses. In: W. Mou, S. Li, B. Qiu (Eds.), Abstracts of the 28th International Congress of Psychology (p. 74), 8.-13. August, Beijing, China
    Rinkenauer, G. & Wing, A.
  • (2004). Bimanual responses are fastest when they are slightly delayed: A paradoxical RT effect? Abstracts of the Psychonomic Society, 9, 54. 45th Annual Meeting, Minneapolis, 6.-11. November 2003
    Rinkenauer, G. & Wing, A. M.
  • (2004). Bimanuelle Koordination synchroner und asynchroner Kraftimpulse. In: D. Kerzel, V. Franz & K. Gegenfurtner (Hrsg.), Experimentelle Psychologie: Beiträge zur 46. Tagung experimentell arbeitender Psychologen (p. 209), 4.-7. April, Universität Giessen. Lengerich: Pabst Science Publishers
    Rinkenauer, G. & Wing, A.
  • (2004). On the locus of speedaccuracy trade-off in reaction time: inferences from the lateralized readiness potential. Journal of Experimental Psychology: General, 733,261-282
    Rinkenauer, G., Osman, A., Ulrich, R., Müller-Gethmann, H. & Mattes, S.
  • (2005). Coordination of bimanual force pulses with varying response onset asynchrony. 9th European Congress of Psychology, Granada, 3 - 8 July 2005
    Rinkenauer, G. & Wing, A. M.
  • (2005). Koordination synchroner und asynchroner bimanueller Kraftpulse bei unterschiedlicher Ergebnisrückmeldung. In: K. W. Lange, K.-H. Bäuml, M. W. Greenlee, M. Hammerl, A. Zimmer (Hrsg.), Experimentelle Psychologie: Beiträge zur 47. Tagung experimentell arbeitender Psychologen (p. 164), 4.-6. April, Universität Regensburg. Lengericti: Pabst Science Publishers
    Rinkenauer, G.
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung