Interkulturelles Verstehen in Schulen des Ruhrgebiets. Eine wissenssoziologische Analyse von Fremdheitsvorstellungen in multikulturellen Schülerschaften.
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Projektidee. Im Ruhrgebiet haben sich im Zusammenleben von mehreren Millionen Menschen mit unterschiedlicher kultureller Herkunft alltagspraktische Formen interkultureller Kommunikation gebildet. Insbesondere die Schulen des Ruhrgebiets sind Orte, in denen Interkulturalität praktisch gelebt wird. Hier setzt das wissenssoziologische Forschungsprojekt empirisch an, indem es Schülerinnen und Schüler von Ruhrgebietsschulen als ‚Experten’ für interkulturelles Verstehen ernst nimmt. Forschungsdesign. In der ersten Phase des Forschungsprojektes, den narrativen Interviews, erzählten die Schüler zunächst von ihren Vorstellungen über Fremdes und Eigenes und ihre Begegnungen/Konflikte/Beziehungen mit Angehörigen anderer Kulturen. In der zweiten Forschungsphase diskutierten die Schüler in Gruppengesprächen anhand von Interkultur-Themen und ‚moralischen Dilemmata’, die aus den Erzählungen der ersten Projektphase abgeleitet wurden, über Möglichkeiten und Grenzen interkulturellen Verstehens. In der dritten Forschungsphase ging es darum, die von den Schülern in den ersten beiden Forschungsphasen improvisatorisch generierten Erzählstoffe und Meinungen aus der Alltagswelt in die Kunstwelt des Improvisationstheaters zu versetzen. Im Improvisationstheater erhielten die Jugendlichen die Möglichkeit, ihre interkulturelle Lebenswelt zu reflektieren und unter der Anleitung von Theaterpädagogen in künstlerischer Form zum Ausdruck zu bringen. Ergebnisse. Mithilfe der Methode des Improvisationstheaters konnte nicht nur bewusstes, sondern auch nichtbewusstes und nonverbales Interkulturwissen der Schüler zur Entäußerung gebracht werden. Dabei zeigte sich, dass die Zugehörigkeit zu einer Gruppe als identitätsstiftendes Merkmal für die Jugendlichen im Vordergrund steht, während kulturelle Aspekte oftmals austausch- bzw. wandelbar erscheinen. Bei der Auswertung des Datenmaterials wurden u.a. die folgenden Typen interkulturellen Verstehens rekonstruiert: Differenzindifferenz, Ignoranzkompetenz, Die goldene Regel, Teamdenken und Mitmachend verstehen. Eine Darstellung des Projekts und des Interkulturwissens der Schüler gibt der Dokumentarfilm Gemeinsam gleich und anders sein. Schüler improvisieren über Interkultur. Quer durch alle empirischen Daten lässt sich vor allem eins erkennen: Die Schüler wissen, wie Kulturkonflikte vermieden werden können – hier kann die Gesellschaft viel von ihren Schülern lernen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2010) Jugendkultur - Interkultur. Bildung neu verstehen. Wiesbaden: VS
Kurt, Ronald & Alfred Hirsch (Hrsg.)
- Die Bildung des interkulturellen Verstehens. In: Kurt, Ronald & Alfred Hirsch (2010) (Hrsg.): Jugendkultur - Interkultur. Bildung neu verstehen. Wiesbaden: VS. 57-84
Hirsch, Alfred
- Diener zweier Damen. Videobasierte Sozialforschung zwischen Datendokumentation und Filmproduktion. In: Michael Corsten et al. (Hrsg.): Videographie praktizieren. Wiesbaden: VS: 195-208
Kurt, Ronald
- Gemeinsam gleich und anders sein. Interkulturelles Verstehen in Schulen des Ruhrgebiets. In: Kurt, Ronald & Alfred Hirsch (2010) (Hrsg.): Jugendkultur - Interkultur. Bildung neu verstehen. Wiesbaden: VS. 183-213
Kurt, Ronald
- Improvisationstheater als transdisziplinäre Methode der Jugendforschung. In: Albert Scherr et al. (2010) (Hrsg.): Transdisziplinäre Jugendforschung. Wiesbaden: VS: 215- 232
Kurt, Ronald
- Improvisation als Methode der empirischen Sozialforschung. In: Norbert Schröer & Oliver Bidlo (2011) (Hrsg.): Die Entdeckung des Neuen. Wiesbaden: VS: 69-83
Kurt, Ronald