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Infrastrukturdisparitäten und Segregation in Leipzig: ein (direkter) Vergleich mit Frankfurt und Gelsenkirchen

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2004 bis 2007
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5414741
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In dem Projekt wurde in den sehr unterschiedlich strukturierten Städten Frankfurt a.M., Gelsenkirchen und Leipzig untersucht, wie sich die Arbeitslosen, Sozialhilfe-Empfänger und Ausländer auf die Stadtteile verteilen, ob bzw. in welchem Maße Stadtteile mit (je nach Stadt) überdurchschnittlichen Anteilen an den genannten Personenkreisen geringer mit öffentlich bereitgestellten oder geförderten Alltagseinrichtungen der sozialen Infrastruktur (z.B. Kindertagesstätten, weiterführende Schulen, Jugend- und Senioreneinrichtungen) ausgestattet sind als Stadtteile mit durchschnittlichen oder unterdurchschnittlichen Anteilen und ob bzw. welche Veränderungen im Zeitablauf in den genannten Bereichen stattgefunden haben. In einem zweiten Schritt wurde gefragt, wie die Bewohner in ausgewählten Stadtteilen mit unterschiedlichen sozialen und städtebaulichen Strukturen die Einrichtungen der sozialen Infrastruktur nutzen. - Im Falle Frankfurts und Gelsenkirchens handelt es sich um die Wiederholung einer Studie aus den 1970er Jahren, Leipzig wurde als Vergleichsstadt aus den Neuen Bundesländern zusätzlich einbezogen. In den drei Städten verteilen sich - von einigen Problemvierteln abgesehen - die Arbeitslosen und Sozialhilfe-Empfänger recht gleichmäßig im Stadtgebiet; im Laufe der letzten Jahre ist es nur zu geringen Schwankungen gekommen. In Frankfurt und Gelsenkirchen gleicht sich die Verteilung für Ausländer im Stadtgebiet im Zuge ihrer wachsenden Differenzierung jener der Einheimischen an: in Frankfurt deutlich, in Gelsenkirchen tendenziell. Dies gilt auch für niedrig qualifizierte bzw. sozial schwächere Ausländer - was wir bei der Antragstellung nicht erwartet hatten. In Leipzig dagegen weicht die räumliche Verteilung der Ausländer zunehmend von der der Einheimischen ab - allerdings ist der Ausländeranteil in Leipzig insgesamt sehr viel niedriger als in den westdeutschen Städten. Keineswegs erwartet hatten wir auch, dass in Frankfurt und Gelsenkirchen Einrichtungen, die in Stadtteilen mit deutlich überdurchschnittlichen Anteilen gering qualifizierter bzw. sozial schwacher Ausländer mit mangelnden Sprachkenntnissen liegen, von status- und bildungsbewussten In- und Ausländern durchaus strikt zugunsten von Einrichtungen in Stadtteilen mit besserem Ruf gemieden werden. Vom Kindergarten über Grund- und Sekundärschulen bis zu Jugendfreizeiteinrichtungen und manchmal auch Bolzplätzen bleiben die Kinder sozialschwacher In- und Ausländer weitgehend unter sich, auch wenn im Viertel auch besser Situierte wohnen. Unsere Annahme, dass die in den 1970er Jahren in Frankfurt und Gelsenkirchen bestehenden Unterschiede der Versorgung mit Infrastruktureinrichtungen zuungunsten von Unterschichtsstadtteilen erheblich eingeebnet (z.B. bei weiterführenden Schulen, Arztpraxen, sogar Grünflächen) oder sogar beseitigt (z.B. Kindergärten) worden sind, ist von den Daten klar bestätigt worden. In diesem Ausmaß hatten wir es angesichts der jahrzehntelangen Beschwörungen der "Krise des Sozialstaats" und der "Finanzkrise der Kommunen" nicht erwartet. Massive Ungleichheiten bestehen gegenwärtig im Hinblick auf die im Ausbau befindliche Versorgung mit Kinderkrippen. In Leipzig hat es eine Unterversorgung von Stadtteilen mit überdurchschnittlichen Anteilen sozialschwacher Bewohner nicht gegeben. Die Unterversorgung einiger anderer Stadtteile stammt noch aus Vor-Wendezeiten (z.B. Senioreneinrichtungen) oder ist auf innerstädtische Bewohnerverschiebungen und demographische Schwankungen in neuerer Zeit zurückzuführen. Die Stabilität des sozialräumlichen Ausgleichs, der Ausweitung oder Erhaltung des Bestandes der Einrichtungen lässt sich aus dem Zusammenwirken vielfältiger Akteure und Programme erklären: die Fachverwaltungen der Städte sind auf gleichmäßige Versorgung auf hohem Niveau bedacht; die Ortsbeiräte o.a. wachen darüber, dass keiner der Stadtteile abfällt; Organisationen wie Wohlfahrtsverbände, Vereine, Kirchen(gemeinden), gewerkschaftliche Gruppierungen, manchmal auch Wirtschaftverbände, Initiativgruppen und wissenschaftliche Institute üben unterstützt von den örtlichen Medien stetigen Druck auf die politischadministrativen Entscheidungsinstanzen aus; vielfältige Förderprogramme der Fachministerien der Bundesländer wirken auf Ausgleich und Bestandserhaltung oder - Erhöhung hin; besondere städtebauliche Förderprogramme haben die Versorgung von Problemstadtteilen verbessert. - Ersatzlos geschlossen werden Einrichtungen nur selten dann, wenn es im Einzugsbereich einen massiven Einwohnerschwund gegeben hat. Die gleichmäßigere Verteilung der Ausländer auf den städtischen Raum wird wahrscheinlich einer der Haupttrends zumindest in den westdeutschen Städten sein. So wie räumliche Konzentrationen von Ausländern nicht durchweg als problematisch zu betrachten sind, ist eine zunehmend gleichmäßigere Verteilung nicht durchweg als unproblematisch anzusehen. Es gibt hierzulande keine Forschung, die die Ursachen, Formen, Begleitumstände und Folgen der gleichmäßigeren räumlichen Verteilung der Ausländer bzw. der Zuwanderer insgesamt in den Mittelpunkt stellt. Hinter globalen Index-Zahlen verbergen sich vielfältige, teilweise gegensätzliche Teilentwicklungen, die es wert sind, genauer betrachtet zu werden. Auch sollte detaillierter untersucht werden, unter welchen Bedingungen es in den Einrichtungen der sozialen Infrastruktur zur Trennung der sozialschwachen zugewanderten und einheimischen Nutzer einerseits und der einheimischen und zugewanderten status- und bildungsbewussten Nutzer andererseits kommt und unter welchen Bedingungen dies nicht der Fall ist. Letzteres wäre für die Lebenschancen der ersteren sicher von nicht unerheblicher Bedeutung. Dazu könnten für die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung einerseits und für das Personal der Einrichtungen Handlungshilfen (nicht: Vorschriften!) entwickelt werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Jürgen Krämer, 2007: "Von der ethnischen residentiellen Segregation zur ethnischen Segregation der Nutzer von Einrichtungen der sozialen Infrastruktur. Erste Befunde und konzeptionelle Überlegungen aus der DFG-Wiederholungs Studie 'Infrastrukturdisparitäten und Segregation'". In: Wohnen - Arbeit - Zuwanderung. Stand und Perspektiven der Segregationsforschung, hrsg. von Frank Meeyer. Berlin: LIT Verlag

  • Jürgen Krämer: "Ethnische residentielle Segregation - ethnische Segregation der Nutzer von Einrichtungen der sozialen Infrastruktur: Zusammenhänge und kozeptionelle Überlegungen" Vortrag auf der Tagung des Arbeitskreises "Stadt und Migration" der Sektion Stadt- und Regionalsoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 29.10.2005 an der Universität Göttingen

  • Jürgen Krämer: "Residentielle De-Segregation von Zuwanderern: ein Einstieg in die Diskussion eines bislang wenig untersuchten Themas" Vortrag auf der Tagung des Arbeitskreises "Stadt und Migration" der Sektion Stadt- und Regional Soziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 14.12,2007 an der Universität Bremen

  • Jürgen Krämer: "Von der ethnischen residentiellen Segregation zur ethnischen Segregation der Nutzer von Einrichtungen der sozialen Infrastruktur". Befunde und konzeptionelle Überlegungen aus der DFG- Wiederholungsstudie >Infrastrukturdisparitäten und Segregation>" Vortrag auf der Tagung "Wohnen - Arbeit - Zuwanderung. Stand und Perspektiven der Segregationsforschung" des Instituts für Geographie der Universität Stuttgart am 20. und 21.1.2006

 
 

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