Wahrnehmung und Bewertung des Hangrutschungsrisikos im Bereich der Schwäbischen Alb und Reaktionen darauf durch die beteiligten Akteure
Final Report Abstract
Ein grobes Wissen über Hangrutschungen ist bei vielen Anwohnern vorhanden, ein genaues Prozessverständnis besitzen jedoch die wenigsten. Generell wird den Hangrutschungen nicht das Potenzial beigemessen für ernsthafte Schäden verantwortlich zu sein. Für die Beurteilung von Hangrutschungsrisiken ist Vertrauen in eine glaubwürdige Instanz notwendig. Diese Instanz war bei vielen Anwohnern das geologische Gutachten, welches viele vor Baubeginn erstellen lassen mussten. Im Gegensatz zum geologischen Gutachten ist das Vertrauen in die Gemeindeverwaltung nicht so stark ausgeprägt. Bei den meisten Anwohnern war eine Relativierung des Hangrutschungsrisikos festzustellen, d.h. dass Wenige das Risiko als so relevant ansehen, dass sie sich darüber in größerem Umfang Gedanken machen. Diese Relativierung findet sowohl in zeitlicher, räumlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht statt. Die Bedeutung des Raums für die Fragestellung wird ersichtlich, wenn man sich einem phänomenologischen Raumbegriff zuwendet. Die Überlegung, dass mit abnehmender physischer Distanz, die Wahrnehmung zunehmen würde, kann aus den Untersuchungen jedoch nicht bestätigt werden. Beim Umgang mit Hangrutschungsrisiken ist zwischen der vergangenen Entscheidung zum Errichten eines Hauses und dem aktuellen Umgang mit dem Naturrisiko zu unterscheiden. In den meisten Fällen scheint das Verdrängen des Risikos die naheliegendste Lösung zu sein, da andere Alternativen hohe finanzielle und emotionale Kosten verursachen würden. Die im Themenfeld Hangrutschungsrisiken involvierten Akteure formulieren keinen akuten Bedarf für ein Naturrisikomanagement. Auch mittelfristig wird der Bedarf aufgrund des hohen Aufwands und der (scheinbar) geringen Probleme von den Organisationen eher angezweifelt. Ein Interesse besteht jedoch an den Gefahren- und Risikokarten des Teilprojekts Analysis, was durchaus als Widerspruch gedeutet werden kann. Sollte man sich in Zukunft aufgrund übergeordneter Belange für die Umsetzung eines Naturrisikomanagements entscheiden, so muss dies extern initiiert werden, da die beteiligten Organisationen dies ohne große Schadensfälle nicht selbstständig entwickeln werden. Die interviewten Organisationen reagierten unterschiedlich auf die dargebotenen Informationen und hatten mehr oder weniger gute Anschlussmöglichkeiten bezüglich der Hangrutschungsthematik. Die Systeme beobachten ihre Umwelt, indem sie Unterscheidungen nutzen, vergleichbar mit Brillen, durch die sie alles beobachten. Damit verbunden sind auch unterschiedliche Begriffsverständnisse, wie z.B, von „Rutschung". Es soll jedoch nicht darum gehen, eine gemeinsame Sprache zu finden, sondern gute Übersetzungsmechanismen, die ein gegenseitiges Verstehen ermöglichen. Gutes Naturgefahrenmanagment setzt also ein präzises Kalibrieren auf die Semantik der Organisation voraus. Die ursprüngliche Annahme, dass eine Partizipation aller beteiligten Akteure im Sinne von „Runden Tisch"-Gesprächen für ein Risikomanagement besonders förderlich ist, muss angezweifelt werden. Die unterschiedlichen Organisationslogiken sowie die voneinander abweichende Verwendung zentraler Begriffe führt in einer großen Gesprächsrunde dazu, dass die Akteure aneinander vorbeireden und kaum in der Lage sind, die Interessen der anderen Stakeholder nachzuvollziehen. Daher erscheint ein extern initiiertes Naturrisikomanagement, welches individuell auf die Eigenlogiken der beteiligten Systeme eingeht, als sinnvoller. Experten haben einen hohen Stellenwert als vertrauenswürdige Letztinstanz bei der Beurteilung von Risiken. Demgegenüber stehen Unsicherheiten bei der Voraussage von komplexen Systemen sowie die mangelnde Nutzung von historischem Wissen. Die Auseinandersetzung mit der Theorie des „Kollektiven Gedächtnisses" bietet hier eine gute Ergänzung zur Luhmannschen Systemtheorie.
Publications
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Naturrisiken - akzeptierte Unsicherheiten? AK Naturgefahren/ Naturrisiken, Innsbruck (Österreich), 25. Februar 2005
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