Beitrag von Salpetriger Säure zur atmosphärischen OH-Konzentration (SALSA)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das OH-Radikal ist das wichtigste Oxydationsmittel in der Atmosphäre, und HOX kann zusammen mit den Stickoxiden als Katalysator der troposphärischen Ozonbildung angesehen werden. Messungen an verschiedenen Standorten haben gezeigt, dass neben der Ozonphotolyse die Photolyse von salpetriger Säure eine bedeutende Quelle für OH-Radikale sein kann. Insbesondere unterstreichen unerwartet hohe beobachtete Tageskonzentrationen von HNO2 von bis zu 150 ppt in ländlichen und 200 bis 500 ppt in urbanen Gebieten, dass die HN02-Photolyse eine ähnlich hohe oder sogar höhere Produktionsrate von OH erzeugen kann wie die O3-Photolyse. Die Bedeutung von HNÜ2 für die atmosphärische OH-Bilanz in der kontinentalen Hintergrundatmosphäre sollte in diesem Projekt detailliert untersucht werden. Erstmals wurden an einer Bergstation - hier am Meteorologischen Observatorium Hohenpeißenberg (MOHp, 980 m üNN) - die tageszeitlichen Variationen der HNÜ2- und der OH-Konzentrationen sowie der HNOrPhotolysefrequenz über einen längeren Zeitraum gleichzeitig und kontinuierlich untersucht Die Messungen erfolgten im Sommer 2004 (29 Juni- 14 Juli) und Sommer 2005 (25 August-23 September). Diese zeitlich hochaufgelösten Messungen wurden durch viele weitere relevante Parameter ergänzt. Neben chemischen, physikalischen und meteorologische Größen aus dem GAW Programm am MOHp lieferten Messungen von HCHO, VOC, H202, ROOH, PAN wichtige Informationen. Im Sommer 2004 fand zeitgleich das Hohenpeißenberg Photochemie-Experiment (HOPEX2004) statt. In den meisten bekannten Feldstudien (bodennahe Stationen) wurde ein Tagesgang beobachtet mit einem Anstieg von HN02 in den späten Abendstunden bis zu einem Maximum/Plateau kurz vor Sonnenaufgang, gefolgt von einer starken Abnahme infolge Photolyse durch Sonnenlicht und Verdünnungseffekten durch den Anstieg der atmosphärischen Grenzschicht. Überraschenderweise zeigte die HNO2 Konzentration am MOHp an mehr oder weniger allen Messtagen ein breites Mittagsmaximum und deutlich niedrigere Werte in der Nacht (2004 im Mittel 100 bzw. 30 ppt). Die hohen Tageskonzentrationen können nicht mit homogener Gasphasenbildung (zu langsam) oder direkter Emission aus Verbrennungsprozessen (zu gering) erklärt werden. Im photostationären Gleichgewicht (PSS) in der Gasphase zwischen der homogenen Gasphasenbildung und den Senkenprozessen Photolyse und direkte Reaktion mit OH sollten theoretisch mittags nur einige ppt HN02 vorhanden sein. Die SALSA Experimente am MOHp waren eine von zwei bisher bekannten Studien weltweit, in denen alle Parameter die zur Quantifizierung des PSS benötigt werden direkt parallel zur HNO2 Konzentration gemessen wurden. Damit war es möglich, quantitativ die Quellstärke der fehlenden HNO2 Tagequelle zu bestimmen. Am MOHp bei hoher Sonneneinstrahlung (J(HNO2 > 0,001 s" ) lagen die berechneten PSS Konzentrationen im Bereich 1-25 ppt. Um die signifikant höheren zeitgleich gemessenen HNO2 Konzentrationen zu erklären, muss es am MOHp eine Quelle geben, die 320-630 ppt h"1 produzieren kann. (Acker et al., 2006). Die Natur dieser Tagesquelle ist noch weitgehend unbekannt. Die auch tagsüber ablaufende heterogene Disproportionierung von NO2 mit Wasser kann nur einen sehr kleinen Teil erklären. Die heterogene Bildung von HNO2 an organischem Material von Erdoberflächen oder Vegetation (z.B. aromatische Kohlenwasserstoffe, Huminsäuren) mit einem direkten photokatalysierten Elektronentransfer zum N02 könnte ein möglicher Mechanismus sein (George et al., 2005; Stemmler et al., 2006). Die Photolyse von adsorbierten organischen Nitraten bzw. N-verbindungen sowie die Reduktion von HNOj zu HNÜ2 durch photosensibilisiertes organisches Material werden ebenfalls diskutiert. Aber auch in der Gasphase ablaufende Reaktionen z.B. die Photolyse verschiedener ortho-Nitrophenole oder Methyl-substituierter Nitroaromaten könnten einen Beitrag zur HNCh Produktion liefern (Kleffmann, 2007). Erstaunlicherweise zeigte am MOHp neben OH auch HNÜ2 einen mit der Strahlung (J>0) korrelierten Tagesgang. Die sehr signifikante Korrelation der am MOHp fehlenden HN02 Tagesquelle mit der Solarstrahlung (r = 0.81 bezogen auf J(HNO2) bestätigt die Annahme einer photochemischen Produktion von HNÜ2, eine Quelle, die wesentlich stärker ist als die photolytische Senke. Mit dem komplexen Feldexperiment 2005 wurden die Ergebnisse von 2004 eindeutig verifiziert. Zum besseren Verständnis der Bildung von HNÜ2 und des vertikalen HN02-Transportes von bodennahen Quellen wurde die Höhe der atmosphärischen Grenzschicht (ABL) über dem komplexen Gelände des Bayerischen Alpenvorlandes untersucht (Staudt, 2006), sowie ausgewählte chemische und meteorologische Parameter an mehreren Standorten unterhalb des MOHp gemessen. HNÜ2 wurde parallel zum MOHp auch an einem zweiten etwa 250 Höhenmeter tiefer gelegenen Standort (ca. l km südwestlich vom MOHp) gemessen. Auch an dieser Talstation wurde ein HN02-Maximum am Vormittag beobachtet, wenngleich der Anstieg von einem höheren Level aus erfolgt als am MOHp. Ein zweites Maximum entwickelte sich an der Talstation nach Sonnenuntergang. Während der Nacht befindet sich dieser zweite Standort meist innerhalb der stabilen Grenzschicht und heterogen gebildete HNO2 kann sich akkumulieren. Die in drei verschiedenen Höhen (990 m, 740 m und 710 m üNN) gemessenen Konzentrationen von 03 (sowie NO und NÜ2) verdeutlichen die Stärke der nächtlichen Entkopplung sowie der effektiven Durchmischung der Luftschichten am Tage. Für ausgewählte Tage wurde die Höhe der ABL aus Daten der Sodar/RASS-Messungen sowie Fesselballon- und Radiosondeaufstiegen ermittelt und mit verschiedenen Parameterisierungen und Modellen verglichen. An strahlungsintensiven Tagen begann die Entwicklung der konvektiven Grenzschicht (CBL) gegen 7:00 MEZ mit einer Rate von 120 - 130 m h"1. An Tagen mit ausgeprägtem Alpinen Pumpen führten Advektion und Absinken von Luftmassen zu einem unterdrückten Anwachsen der Grenzschicht (-50 m h"1). Mit der täglichen Entwicklung der CBL kann im Tal akkumulierte HN02 zur Bergstation transportiert werden. Im Vergleich zu den zeitgleich am MOHp gemessenen Werten wurden an der Talstation überraschenderweise im Mittel nicht nur während der Nacht sondern auch am Tage höhere HNO2 Konzentrationen gefunden. Während des Experimentes in 2005 wurde auch eine Reihe von Tauproben gewonnen. Bei pHWerten um 6.2 lagen die Nitritkonzentrationen zwischen 30 und 220 ug l"1. Gab es an beiden Standorten Tau, wurden deutlich höhere Konzentrationen an der Talstation gefunden (heterogene Bildung und Akkumulation von HNOz in der nächtlichen Grenzschicht). Während der Verdampfung des Tauwassers kann die Freisetzung des Nitrits als HNO2 in die Gasphase am Morgen zu einem zusätzlichen OH-Schub führen. Der Beitrag von HNO2 an der Produktionsrate der HOx-Radikale (OH + HO2) am MOHp konnte auf der Basis gemessener Photolysefrequenzen und Mischungsverhältnissen berechnet werden. Für die Zeiten, in denen eine photolytische HOx-Bildung stattfinden kann, wurde ein Beitrag der HNO2-Photolyse zur integrierten HOx-Bildung von 42% (2004) bis 60% (2005) abgeschätzt. In den Morgenstunden war der Betrag oft deutlich höher im Vergleich zur Ozonphotolyse, in den Mittagsstunden meist vergleichbar. Der Beitrag der Photolyse von Formaldehyd variierte zwischen 10 und 30%, einen geringeren Beitrag liefern die Photolyse von PbOa und die Ozonolyse von Alkenen. Durch diese neuen Feldmessungen am Hohenpeissenberg konnte die Bedeutung der salpetrigen Säure als Radikalquelle in der bodennahen Atmosphäre in nicht-urbaner Umgebung eindeutig belegt werden. Die Messung von HNC>2 ist unbedingt erforderlich in Feldstudien zur Untersuchung der Oxidationskapazität der Atmosphäre. Mit dem gegenwärtigen Stand des Wissens zur Atmosphärenchemie ist eine Klärung der bisher noch weitgehend unbekannten Tagesquelle(n) nur ansatzweise möglich und initiiert sicher weitere Labor- und Feldstudien.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Acker, K., Beysens D., Möller, D., 2008. Nitrite in dew, fog, cloud and rain water - indicator for heterogeneous processes on surfaces. Atmos. Res.87, 200-212.
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Acker, K., Möller, D., 2007. Atmospheric variation of nitrous acid at different sites in Europe. Environ. Chem. 4, 242-255. (Siehe online unter: doi:10.1071/EN07023)
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Acker, K., Möller, D., Wieprecht, W., Meixner, F., Bohn, B., Gilge, S., Plass-Dülmer, C., Berresheim, H., 2006. Strong daytime production of OH from HNO2 at a rural mountain site. Geophys. Res. Lett. 33, L02809. (Siehe online unter: doi:10.1029/2005GL024643)
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Acker, K., Trebs, I., Wieprecht, W., Meixner, F.X., Berresheim, H., Möller, D., 2006. Diurnal HNOi variation at different altitudes in a rural environment (Hohenpeissenberg, Germany). 9th Scientific Conference of the IGAC Project (joint CACGP/IGAC/WMO conference) Cape Town, 17-22 September 2006.